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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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genau.«
    Lapoulle geriet mit seiner bäuerlichen Einfalt bei diesem Wort jedesmal ganz außer sich.
    »Verkauft! Oh, müssen das Beester sein!«
    »Verkauft, wie Judas seinen Herrn verkauft hatte«, flüsterte Pache, dem Erinnerungen an die Heilige Geschichte in den Sinn kamen.
    Chouteau triumphierte.
    »Das ist doch ganz einfach, mein Gott! Wir wissen ja die Summen... Mac Mahon hat drei Millionen gekriegt und die andern Generale jeder eine, dafür, daß sie uns hierher geschleppt haben... Letzten Frühling haben sie das in Paris abgemacht; und heute nacht haben sie eine Rakete abgeschossen, um ihnen das Zeichen zu geben, daß alles fertig wäre und daß sie uns holen könnten.«
    Maurice wurde übel bei der Dummheit dieser Erfindung. Dank seiner Vorstadtkodderschnauze hatte Chouteau ihm zuerst Spaß gemacht, ihn beinahe gewonnen. Aber jetzt hielt er es mit diesem Wortverdreher nicht länger aus, dem schlechten Arbeiter, der jede Beschäftigung begeiferte, um sie andern zu verekeln.
    »Was schwatzen Sie solche Dummheiten?« schrie er. »Sie wissen ganz genau, daß das nicht wahr ist.«
    »Was, nicht wahr?... Also das ist nicht wahr, daß wir verkauft sind?... He, sag' mal, du feiner Junge, gehörst du auch zu der Dreckbande von Schweinehunden, die uns verraten haben?«
    Drohend kam er auf ihn zu.
    »Weißt du, ich muß dir wohl mal erst sagen, mein Herr Bourgeois, daß wir mit dir auch noch fertig werden, ohne auf deinen Freund Bismarck zu warten.«
    Auch die andern fingen nun an zu brummen, und Jean glaubte dazwischenkommen zu müssen.
    »Ruhe! Den ersten, der sich rührt, melde ich!«
    Aber Chouteau grinste ihn an und gröhlte. Er kümmerte sich auch noch um seine Meldung! Er würde fechten oder nicht, wie es ihm paßte; und man brauchte ihm gar nicht erst dumm zu kommen, denn er hatte seine Patronen nicht bloß für Preußen. Nun die Schlacht begann, schmolz der Rest von Manneszucht, der bis dahin noch durch die Furcht aufrechterhalten war, dahin: was könnte man ihm denn tun? Er würde ausreißen, sowie er genug davon hätte. Und er wurde grob und hetzte die andern gegen den Korporal auf, der sie vor Hunger sterben ließe. Ja, es war nur seine Schuld, wenn die Korporalschaft seit drei Tagen nichts zu essen hatte, während die Kameraden Suppe und Fleisch gehabt hätten. Aber der Herr hatte sich mit dem seinen Jungen da bei Mädels herumgetrieben. Man hätte sie in Sedan wohl gesehen.
    »Du hast das Geld der Korporalschaft durchgebracht; wag's doch mal und behaupte das Gegenteil, du altes Leckermaul!«
    Dadurch verschlimmerte sich die Lage. Lapoulle ballte die Fäuste, und Pache, der trotz seines Sanftmutes vor Hunger den Verstand verlor, verlangte Erklärungen. Der Vernünftigste war noch Loubet, der mit seiner pfiffigen Miene zu lachen anfing und meinte, es wäre doch zu dumm, wenn Franzosen sich gegenseitig auffräßen, solange noch Preußen da wären. Er liebte keine Auseinandersetzungen, weder mit der Faust noch mit Flintenschüssen, und indem er auf die paar hundert Francs anspielte, die er als militärischer Ersatzmann bekommen hatte, fügte er hinzu:
    »Ne wirklich, wenn sie glauben, daß mein Fell mir nicht mehr wert ist als das! ... Ich werde ihnen schön was verabreichen für ihr Geld!«
    Aber Jean und Maurice waren durch diese letzten albernen Angriffe gereizt und entschuldigten sich mit einer heftigenErwiderung, als eine starke Stimme durch den Nebel tönte:
    »Was ist da los? Was ist da los? Was sind das für dreckige Hanswurste, die sich da kabbeln?«
    Und Leutnant Rochas erschien mit seinem vom Regen ausgewaschenen Käppi, an seinem Rocke fehlten die Knöpfe, und seine ganze magere, schlotterige Gestalt befand sich in einem bejammernswerten Zustande von Vernachlässigung und Elend. Trotzdem hatte er aber seine siegesgewisse Keckheit beibehalten, seine Augen leuchteten und sein Schnurrbart sträubte sich in die Höhe.
    »Herr Leutnant, hier sind Leute, die herumschreien, wir wären verkauft...« antwortete Jean ganz außer sich. »Jawohl, unsere Generäle hätten uns verkauft...«
    Rochas' engem Schädel erschien dieser Gedanke an Verrat durchaus keine ganz unnatürliche Erklärung für alle die Niederlagen, die er nicht zugestehen wollte.
    »Na ja! was geht das die denn an, ob sie verkauft sind?... Ist das ihre Sache?... Das hindert doch aber nicht, daß die Preußen nun da sind und daß wir ihnen eine 'runterhauen wollen, daß sie dran denken sollen.«
    In der Ferne bei Bazeilles hinter dem

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