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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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hinlegen!«
    Und Maurice lag noch nicht wieder, als eine Granate pfeifend über ihn hinwegfuhr. Von jetzt an hörten sie gar nicht mehr auf. Sie schossen sich nur langsam ein, die ersten fielen weit über die Batterie hinaus, die nun ihrerseits auch zu schießen anfing. Außerdem platzten viele Geschosse auch gar nicht, sondern gruben sich so in die weiche Erde ein; und da gab es zunächst nicht endenwollende Späße über die Ungeschicklichkeit der Sauerkrautfresser.
    »Na ja!« sagte Loubet, »das geht ja nicht los, denen ihr Feuerwerk!«
    »Sie haben sicher draufgeschifft!« fügte Chouteau spottend zu.
    Leutnant Rochas mischte sich auch mit hinein.
    »Wenn ich euch doch gesagt habe, daß diese Erzdummköpfe nicht mal ein Geschütz richten können.«
    Aber eine Granate platzte zehn Meter vor ihnen und bedeckte die Kompagnie mit Erde. Während aber Loubet sich noch dicke tat und den Kameraden riet, sie sollten ihre Bürsten aus den Tornistern holen, wurde Chouteau blaß und schwieg. Er hatte noch kein Feuer gesehen, Pache und Lapoulle übrigensauch noch nicht, niemand aus der Korporalschaft außer Jean. Die Augenlider klappten über den etwas trübe werdenden Augen, die Stimmen klangen hoch, als ob sie ihnen in der Kehle steckenblieben. Maurice behielt noch genügend Selbstbeherrschung, um sich zu zwingen, Untersuchungen anzustellen; noch war er nicht bange, denn er hielt sich noch nicht für gefährdet; er empfand nur ein gewisses Unbehagen in der Magengegend, während ihm das Blut aus dem Kopfe zurückströmte und er sich unfähig fühlte, zusammenhängend zu denken. Seine Hoffnung stieg indessen zu einer Art Trunkenheit, seit er die schöne Ordnung der Truppen bewundern konnte. Er kam soweit, daß er gar nicht mehr an dem Siege zweifelte, wenn man nur erst mal mit dem Bajonett an den Feind herankäme.
    »Sieh!« sagte er leise, »hier ist's voll von Fliegen!« Dreimal war es ihm schon so vorgekommen, als ob ein Bienenschwarm vorbeisummte.
    »Nein, nein,« sagte Jean und lachte, »das sind ja Kugeln!«
    Wieder zog es wie leichtes Summen von Flügeln vorbei. Die ganze Korporalschaft drehte jetzt voller Aufmerksamkeit die Köpfe danach herum. Unwiderstehlich fühlten sich die Leute gezwungen, sich umzudrehen, sie konnten nicht ruhig liegenbleiben.
    »Hör' mal,« sagte Loubet zu Lapoulle, um sich über seine Einfalt lustig zu machen, »wenn du eine Kugel kommen siehst, brauchst du nur so den Finger vor die Nase zu halten; das zerschneidet die Luft und die Kugel fliegt rechts oder links vorbei.«
    »Aber ich sehe sie ja gar nicht«, erwiderte Lapoulle,
    Ein riesiges Gelächter platzte rund um ihn her los. »Oh, der Döskopf sieht sie gar nicht... Sperr' doch deineLichter auf, Idiot!... Siehst du, da ist eine... sieh, da wieder eine... hast du die denn nicht gesehen? Die war doch grün.«
    Und Lapoulle riß die Augen auf und hielt den Finger vor die Nase, während Pache nach dem Skapulier fühlte, das er bei sich trug und es am liebsten in die Länge gezogen hätte, um es sich wie einen Panzer vor die Brust zu hängen.
    Rochas war stehengeblieben und rief in seiner Spaßmacherweise:
    »Kinder, die Granaten dürft ihr ruhig grüßen! Die Kugeln, das ist nicht nötig, davon gibt's zu viele.«
    In diesem Augenblicke zerschmetterte eine Granate einem Mann in der ersten Reihe den Kopf. Er konnte nicht einmal mehr einen Schrei von sich geben; nur ein Aufspritzen von Blut und Gehirnmasse, das war alles.
    »Armer Teufel!« sagte einfach der Sergeant Sapin ganz ruhig und sehr blaß. »Nun der Nächste.«
    Aber man hörte nichts mehr, Maurice litt ganz besonders unter dem Höllenlärm. Die Batterie neben ihnen schoß ohne Unterbrechung, und von dem fortgesetzten Rollen bebte die Erde; die Mitrailleusen zerrissen die Luft mit einem noch viel weniger zu ertragenden Geräusch. Sollten sie lange so mitten unter den Kohlköpfen liegen bleiben? Sie sahen und hörten nichts mehr. Es war unmöglich, sich auch nur die geringste Vorstellung von der Schlacht zu machen; war es denn wohl wirklich eine große Schlacht? Jenseits der kahlen Felder konnte Maurice nur den runden, bewaldeten Kopf des Hattoy erkennen, sehr weit weg und noch leer. Übrigens zeigte sich in der ganzen Runde kein Preuße. Nur Rauchwolken erhoben sich, um einen Augenblick im Sonnenschein zu schweben. Und als er den Kopf wandte, bemerkte er zuseinem höchsten Erstaunen auf dem Grunde eines abgelegenen, von jäh abfallenden Wänden geschützten Tales einen Bauer, der in

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