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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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aller Gemächlichkeit sein Feld bestellte und seinen mit einem großen weißen Pferd bespannten Pflug niederdrückte. Wozu einen Tag verlieren? Weil sie dort fochten, würde das Getreide doch nicht aufhören zu wachsen und die Welt zu leben.
    Von Ungeduld übermannt, stand Maurice auf. Mit einem einzigen Blick übersah er wieder die Batterien von Saint-Menges, die sie beschossen, und vor allem den von Saint-Albert herführenden Weg schwarz von Preußen, ein undeutliches Gewimmel auf sie hereindringender Horden. Aber schon packte Jean ihn bei den Beinen und brachte ihn unsanft wieder auf den Boden.
    »Bist du verrückt? Willst du wohl hier bleiben!«
    Auch Rochas fluchte.
    »Wollen Sie sich wohl hinlegen! Wer schickt mir bloß solche Schafsköpfe her, die sich totschlagen lassen, ehe sie den Befehl dazu haben!«
    »Herr Leutnant, Sie liegen ja auch nicht!« erwiderte Maurice.
    »Ja, mit mir ist das was anderes; ich muß doch wissen, was los ist.«
    Auch Hauptmann Beaudouin stand tapfer aufrecht. Aber ihn verband nichts mit seinen Mannschaften und er brachte die Lippen nicht mehr voneinander; es sah so aus, als könne er nicht ruhig mehr auf einer Stelle stehenbleiben, denn er trippelte von einem Ende des Feldes zum andern.
    Weiteres Warten, nichts geschah. Maurice erstickte unter dem Gewicht seines Tornisters, der ihm in dieser auf die Dauer so peinlichen liegenden Stellung Rücken und Brust zusammenpreßte.Es war den Leuten dringend anempfohlen, den Tornister nur im äußersten Notfall abzulegen.
    »Sag' mal, müssen wir hier so den ganzen Tag liegen bleiben?« fragte er Jean schließlich.
    »Möglich... Bei Solferino lagen wir fünf Stunden lang in einem Wurzelfelde mit der Nase auf der Erde.«
    Als praktischer Kerl fügte er dann noch hinzu:
    »Was klagst du denn? Hier haben wir es doch nicht schlecht. Es ist immer noch Zeit, sich mehr auszusetzen. Laß nur, jeder kommt dran. Wenn wir uns alle gleich im Anfang totschlagen lassen, gibt's ja keine mehr für den Schluß.«
    »Oh!« unterbrach Maurice ihn heftig, »sieh mal den Rauch da auf dem Hattoy... Sie haben den Hattoy genommen, jetzt wird der Tanz fein losgehen!«
    Während eines Augenblicks hatte nun seine angespannte Neugierde, in die sich jedoch ein Schauer seiner früheren Furcht wieder hineinmischte, etwas Nahrung. Seine Blicke wandten sich nicht mehr ab von dem runden Kopfe, der einzigen Bodenerhöhung, die er sich bei seiner Augenhöhe über die Flucht der weiten Felder erheben sah. Der Hattoy war viel zu weit entfernt, als daß er die Bedienung der Batterie hätte erkennen können, die die Preußen dort gerade aufstellten; und er sah tatsächlich nur bei jeder Entladung eine kleine Rauchwolke über einer Reihe von Büschen, die ihm die Stücke selbst verdeckten. Wie er es im Gefühl gehabt hatte, war die Besetzung dieser Stellung durch den Feind, nachdem General Douay ihre Verteidigung aufgegeben hatte, eine ernste Sache. Sie beherrschte die umliegenden Hochebenen. Die Batterien, die jetzt ihr Feuer auf die zweite Division des siebenten Korps eröffneten, schwächten diese sofort empfindlich. Jetzt hatten sie sich eingeschossen, und die französische Batterie,neben der die Kompanie Beaudouin lag, verlor Schlag auf Schlag zwei Mann ihrer Bedienung. Ein Einschlag verwundete sogar einen Mann der Kompanie, einen Schreiber, dem der linke Hacken weggerissen wurde und der nun in einer Art plötzlichen Wahnsinns wütende Schmerzensschreie ausstieß.
    »Viech, sei doch still!« brüllte Rochas ihn mehrmals an.
    »Ist denn da noch Vernunft drin, um etwas Wehweh am Fuß derartig zu brüllen?«
    Der Mann wurde plötzlich ruhig und schwieg; er verfiel in eine stumpfsinnige Unbeweglichkeit, seinen Fuß in der Hand.
    Und der fürchterliche Artilleriezweikampf ging weiter, wurde schlimmer über die Köpfe der liegenden Truppen hinweg auf den traurigen versengten Feldern, auf denen in dem brennenden Sonnenschein kein lebendes Wesen zu erblicken war. Nur der Orkan der Vernichtung tobte donnernd über diese Einsamkeit hinweg. Stunden würden so hingehen, und das würde nicht aufhören. Aber schon ließ sich die Überlegenheit der deutschen Artillerie erkennen; ihre Granaten mit Aufschlagzündern platzten auf die Riesenentfernung fast alle, während die französischen Granaten mit Brandsatz viel zu kurz flogen und sich sehr häufig in der Luft entzündeten, ehe sie ans Ziel kamen. Und in dem Wirbel, vor dem man sich hätte in die Erde einwühlen mögen, gab es keinen andern

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