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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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ein Unteroffizier vom Dienst eilig hereintrat.
    »Fräulein, es ist nichts mehr zu finden, ich habe kein Dienstmädchen auftreiben können ... Vielleicht haben Sie etwas Leinen, ein Stück weißes Leinen?«
    »Wollen Sie eine Serviette haben?«
    »Nein! nein! die ist nicht groß genug ... Ein halbes Laken zum Beispiel.«
    Rosa hatte sich schon diensteifrig auf den Schrank gestürzt.
    »Abgeschnitten habe ich nichts ... Ein großes Stück weißes Leinen, nein, ich sehe wahrhaftig nichts, was Ihnen passen könnte ... Ach, warten Sie mal! Möchten Sie ein Tischtuch haben?«
    »Ein Tischtuch, großartig! Das ist gerade das Richtige!«
    Und im Weggehen fügte er hinzu:
    »Es soll eine weiße Fahne draus gemacht werden, die sie auf der Zitadelle aufziehen sollen, um um Frieden zu bitten ... Vielen Dank, Fräulein!«
    Delaherche schnellte vor Freuden unwillkürlich in die Höhe. Endlich würden sie also zur Ruhe kommen. Dann aber erschien ihm diese Freude sehr wenig patriotisch und er zügelte sie. Sein Herz schlug aber doch getröstet, als er einen Oberst und einen Hauptmann, denen der Unteroffizier folgte, mit raschen Schritten aus der Unterpräfektur herausstürzen sah. Der Oberst trug das Tischtuch zusammengerollt unter dem Arme. Er kam auf den Gedanken, ihnen zu folgen, und ließ Rosa allein, die sehr stolz darauf war, dies Leinen hergegeben zu haben. In diesem Augenblick schlug es zwei Uhr.
    Vor dem Stadthause wurde Delaherche von einem ganzen Strome verstörter Soldaten über den Haufen gerannt, die aus der Vorstadt La Cassine herunterkamen. Er verlor den Oberst aus dem Gesicht und verzichtete auf die Befriedigung seiner Neugier, die weiße Fahne hissen zu sehen. Er wäre auch sicher doch nicht in den Donjon hineingelassen worden. Anderseits hörte er die Leute davon reden, es wären Granaten auf die Schule gefallen, und das versetzte ihn in neue Unruhe: seit er fortgegangen war, wäre vielleicht seine Fabrik bereits in Flammen aufgegangen. Von fieberhafter Aufregung gepackt, stürzte er sich wieder vorwärts und konnte sich nur durch rasches Laufen beruhigen. Aber viele Gruppen versperrten die Straßen und auf jedem Platz entstanden neue Hindernisse. Erst in der Rue Macqua gab er einen Seufzer der Erleichterung von sich, als er die prunkende Vorderseite seines Hauses unversehrt ohne jeden Rauch oder Funken stehen sah. Er trat ein und rief schon von weitem seiner Mutter und seiner Frau zu:
    »Alles geht gut, sie hissen die weiße Fahne, das Feuer wird eingestellt.«
    Dann blieb er stehen, denn der Anblick des Lazaretts war wahrhaft fürchterlich.
    In dem weiten Trockenraume, dessen große Tür offen gelassen war, waren nicht allein alle Matratzen belegt, sondern es blieb auch kein Platz mehr frei auf der am Ende des Saales ausgebreiteten Strohschütte. Man fing schon an, Stroh zwischen die Matratzen zu legen, und schob die Verwundeten so nahe wie möglich aneinander. Es waren schon mehr als zweihundert zu zählen, und immer kamen noch mehr. Die großen Fenster erhellten dies aufgehäufte menschliche Leiden mit weißer Klarheit. Zuweilen rief eine zu heftige Bewegung einen lauten Schrei hervor. Todesröcheln klang durch die schlaffe Luft. Ein leises, fast singendes Klagen hörte überhaupt nicht auf. Um so tiefer machte sich das Schweigen geltend, eine Art ergebener Starrheit, die trübe Niedergeschlagenheit einer Totenkammer, in der nur die Schritte der flüsternden Krankenträger laut wurden. Die auf dem Schlachtfelde notdürftig verbundenen Wunden – einige lagen auch ganz offen zutage – ließen ihren ganzen Jammer aus den Lumpen der zerrissenen Röcke und Hosen hervorsehen. Noch beschuhte Füße streckten sich zerbrochen und blutig aus. Wie mit Hammerschlägen zerbrochene Knie und Ellbogen ließen die Gliedmaßen kraftlos herabhängen. Abgehackte Hände und Finger hingen nur noch an dünnen Fleischfaden herunter. Am häufigsten schienen Arm- und Beinbrüche vorzukommen; die Glieder waren dann steif vor Schmerzen und bleischwer. Die größte Beunruhigung aber riefen die Verwundungen hervor, bei denen Bauch, Brust oder Kopf durchbohrt waren. Manche Seiten bluteten aus gräßlichen Zerreißungen, unter der aufgetriebenen Haut bildeten sich Eingeweideknoten, zerrissene oder aufgeschlitzteNieren riefen fürchterliche, von krampfhaften Zuckungen begleitete Verzerrungen hervor. In einzelnen Fällen waren auch die Lungen durchbohrt, manchmal nur durch ein einziges Loch, dann wieder andere durch einen klaffenden Riß,

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