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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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her warf.
    »Ach ja! Es ist schrecklich, wie an all diesen Menschen herumgeschnitten wird ... Es ist doch komisch, daß ich hier sitzenbleiben kann, ohne ohnmächtig zu werden.«
    Frau Delaherche hatte gesehen, wie ihr Sohn das Haar seiner Frau küßte. Sie machte eine Bewegung, wie um ihn davon abzuhalten, weil sie an den andern denken mußte, den Mann, der in der Nacht sicher auch dies Haar geküßt hatte. Aber ihre alten Hände zitterten, und sie flüsterte leise:
    »Mein Gott, was für Qualen! Man vergißt seine eigenen darüber.«
    Delaherche ging fort und erklärte ihnen, er werde sogleich mit genauen Nachrichten zurückkommen. Von der Rue Macqua an fühlte er sich über die zahlreichen waffenlosen Soldaten überrascht, die in zerlumpten Uniformen staubbedeckt in die Stadt zurückkehrten. Er konnte übrigens aus keinem sichere Einzelheiten über die Fragen herauslocken, die er sich ihnen vorzulegen bemühte: einzelne antworteten verstört, sie wüßten es nicht; andere erzählten ihm unter wütenden Gebärden und einem Schwall aufgeregter Worte so vielerlei, daß er sie für verrückt halten mußte. Ohne weiter nachzudenken, drang er nun bis zur Unterpräfektur vor, weil er glaubte, hier flössen alle Neuigkeiten zusammen. Als er über den Schulplatz schritt, sausten gerade zwei Geschütze, offenbar die letzten Überbleibsel einer Batterie, im Galopp die Straße herauf und kamen an einer Bordschwelle zum Stehen. In der Großen Straße mußte er sich eingestehen, daß die Stadt sich mit den ersten Flüchtlingen zu füllen beginne; drei abgesessene Husaren saßen auf einer Schwelle und teilten sich in ein Brot; zwei andere führten ihre Gäuleam Zügel und wußten nicht, wo sie in den Stall bringen; Offiziere liefen mit verwirrten Mienen herum, und man sah es ihnen an, sie wußten nicht, wohin sie sich wenden sollten. Auf dem Turenneplatz riet ihm ein Leutnant, nicht stehenzubleiben, denn hier fielen häufig Granaten nieder, und eine hatte beim Platzen sogar das Gitter um das Standbild des großen Feldherrn zerschlagen, des Eroberers der Pfalz. Als er rasch die Unterpräfekturstraße entlangging, sah er tatsächlich zwei Geschosse mit fürchterlichem Krachen auf der Maasbrücke bersten.
    Er pflanzte sich vor der Schließerloge auf und blieb dort stehen, denn er suchte nach einem Vorwand, um sich mit seinen Fragen an einen der Adjutanten wenden zu können, als eine jugendliche Stimme ihn anrief:
    »Herr Delaherche! ... Kommen Sie schnell herein, draußen ist's nicht schön.«
    Es war Rosa, seine Arbeiterin, an die er gar nicht gedacht hatte. Durch ihre Vermittlung sollten sich ihm alle Türen öffnen. Er trat in das Schließerzimmer und nahm einen Stuhl an.
    »Denken Sie nur, Mutter ist ganz krank davon, sie hat sich hingelegt. Sehen Sie, nun ist außer mir kein Mensch da, denn Papa ist als Nationalgardist auf der Zitadelle ... Eben hat der Kaiser noch mal zeigen wollen, wie tapfer er ist, und ist wieder ausgegangen; bis ans Ende der Straße hat er gehen können, bis zur Brücke. Gerade vor ihm ist eine Granate niedergefallen und hat einem seiner Reitknechte das Pferd totgeschlagen. Und da ist er wieder umgekehrt ... Nicht wahr, was soll er auch machen?«
    »Dann wissen Sie ja wohl, wie es steht ... Was sagen denn die Herren?«
    Sie sah ihn ganz erstaunt an. Frisch und fröhlich stand sie mit ihrem feinen Haar und den klaren Kinderaugen vor ihm als ein Kind, das inmitten all dieser Scheußlichkeiten eifrig tätig war, ohne gerade sehr viel davon zu begreifen.
    »Nein, gar nichts weiß ich ... Gegen Mittag habe ich einen Brief für den Marschall Mac Mahon hinaufgebracht. Der Kaiser war bei ihm ... Fast eine Stunde haben sie sich zusammen eingeschlossen, der Marschall im Bett und der Kaiser auf einem Stuhle daneben ... Das weiß ich, weil ich sie sehen konnte, wenn die Tür aufgemacht wurde.«
    »Was haben sie denn zueinander gesagt?«
    Wieder sah sie ihn an und konnte ein Lachen nicht unterdrücken.
    »Aber das weiß ich doch nicht, wie sollte ich wohl? Das weiß doch kein Mensch in der Welt, was die sich erzählt haben!«
    Nun machte er wirklich eine Bewegung, wie um sich wegen seiner dummen Frage zu entschuldigen. Aber der Gedanke an diese höchst wichtige Unterredung plagte ihn: wieviel Wichtiges mußte sie enthalten! Zu was für Entschlüssen waren sie wohl schließlich gekommen?
    »Jetzt ist der Kaiser wieder auf sein Zimmer gegangen, und da hat er eine Besprechung mit zwei Generälen, die gerade vom

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