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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Einfriedigungen, Bäume, wie von einer Feuersbrunst verbrannt, und der Erdboden selbst durch Granaten aufgerissen oder durch den Galopp der Massen derartig niedergetreten und verhärtet, daß es schien, als müsse er auf ewig unfruchtbar bleiben. Der Regen ertränkte alles in einem feuchten Bleigrau, ein hartnäckiger Geruch hing in der Luft, dieser Geruch des Schlachtfeldes Nach verfaultem Stroh, verbranntem Tuch, eine Mischung von Fäulnis und Pulverschleim.
    Silvine war ermüdet vom Anblick dieser Totenfelder, über die sie schon meilenweit hinzugehen glaubte, und sie blickte in wachsender Angst um sich.
    »Wo ist es? Wo ist es denn?«
    Aber Prosper war unruhig geworden und antwortete nicht. Was ihn überwältigte, waren mehr noch als die Leichen seiner Waffengenossen die Pferdekadaver, die armen Pferde, von denen sie so viele auf der Seite liegen fanden. Manche sahen wirklich bejammernswert aus in ihren schrecklichen Stellungenmit abgerissenem Kopf und aufgeschlitzten Seiten, aus denen die Eingeweide hervorhingen. Viele lagen mit riesigem Bauch auf dem Rücken und streckten ihre vier steifen Beine wie Notzeichen in die Luft. Die schrankenlose Ebene war ganz höckerig von ihnen. Einige waren nach zweitägigem Todeskampfe noch nicht tot; beim geringsten Geräusch hoben sie den schmerzenden Kopf, bewegten ihn nach rechts und links und ließen ihn dann wieder fallen, während andere von Zeit zu Zeit einen durchdringenden Schrei ausstießen, diesen merkwürdigen Klageschrei des sterbenden Pferdes, der so furchtbar schmerzerfüllt klingt, daß die Luft scheinbar von ihm erzittert. Zerrissenen Herzens mußte Prosper an Zephir denken; vielleicht würde er auch ihn noch wiedersehen.
    Plötzlich fühlte er den Erdboden unter einem wütenden Galopp erbeben. Er wandte sich und konnte seiner Gefährtin nur noch zurufen:
    »Die Pferde! Die Pferde! ... Werft Euch hinter die Mauer hier!«
    Von einem benachbarten Abhang sausten an die hundert Pferde, frei, reiterlos, einige noch mit ihrem Gepäck, herab und wälzten sich in einer höllischen Jagd auf sie zu. Das waren versprengte, auf dem Schlachtfelde zurückgebliebene Pferde, die sich gefühlsmäßig zu Trupps wieder zusammenschlossen. Seit vorgestern ohne Heu oder Hafer, hatten sie das spärliche Grün abgenagt, hatten alle Hecken abgefressen, sogar die Rinde von den Bäumen gerissen. Und wenn der Hunger ihnen den Bauch wie Sporenstiche zerschnitt, sausten sie alle miteinander in wahnsinnigem Galopp von dannen und jagten über die leere, stumme Ebene, wobei sie Tote zertrampelten und Verwundete umbrachten.
    Die Windsbraut näherte sich, Silvine hatte gerade nochZeit, den Esel mit dem Karren in den Schutz der kleinen Mauer zu ziehen.
    »Herrgott! Die brechen ja alles kurz und klein!«
    Aber die Pferde waren über das Hindernis hinweggesprungen, es tönte wie Donnerrollen, und schon stürzte sich ihre Jagd auf der andern Seite in einen Hohlweg, bis sie hinter der Ecke eines Gehölzes verschwanden.
    Als Silvine den Esel auf den Weg zurückgeführt hatte, verlangte sie, Prosper solle ihr Rede stehen.
    »Sagt, wo ist es?«
    Er stand und warf seine Blicke nach allen vier Himmelsrichtungen.
    »Da standen drei Bäume, die drei Bäume muß ich wiederfinden ... ja, natürlich! Im Gefecht sieht man nicht sehr deutlich, und es ist verdammt ungemütlich, wenn man nachher noch die Wege wissen soll, die man geritten ist.«
    Als er dann links von sich Leute sah, zwei Männer und eine Frau, dachte er, die wollte er fragen. Die Frau lief aber bei seinem Näherkommen weg und die Männer scheuchten ihn mit drohenden Bewegungen fort; nun sah er noch mehr, aber alle vermieden ihn und drückten sich wie wilde, argwöhnische Tiere ins Gestrüpp; sie waren schlecht gekleidet und ihre verdächtigen Banditengesichter namenlos schmutzig. Als er nun bemerkte, daß die Toten hinter diesen üblen Gesellen keine Schuhe mehr an ihren nackten, blassen Füßen hatten, da begriff er endlich, daß sie den deutschen Heeren folgende Strolche wären, Leichenräuber, niedriges, habgieriges Judengesindel, das hinter dem Überfall Herzog. Ein langer Magerer riß in vollem Laufe vor ihm aus; er hatte einen Sack auf der Schulter, und in seinen Taschen klapperte es von aus den Hosentaschen gestohlenen Uhren und Silbergeld.Ein dreizehn- oder vierzehnjähriger Bengel ließ Prosper indessen herankommen, und als dieser in ihm einen Franzosen erkannte und ihn mit Schmähungen überhäufte, wehrte der Junge sich. Was? Nicht mal

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