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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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magerer Mann, dessen dichten Bart man in dem Gestrüpp nur schlecht unterscheiden konnte. Er trug eine graue Bluse, die um die Hüften durch einen roten Gürtel zusammengehalten wurde, und ein Gewehr umgehängt. Er erklärte sogleich, daß er Franzose, Franktireur sei, Sergeant, und daß er mit zwei Mann aus dem Gehölz von Dieulet komme, um dem General wichtige Beobachtungen mitzuteilen.
    »He, Cabasse! Ducat!« schrie er, sich umdrehend, »verdammte Taugenichtse, kommt doch!«
    Zweifellos hatten die Leute Angst gehabt; sie kamen aber doch, Ducat klein und dick, blaß, mit spärlichen Haaren, Cabasse groß und trocken mit schwarzem Gesicht und einer langen, messerscharfen Nase.
    Als Maurice voller Überraschung den Sergeanten aus der Nähe gemustert hatte, fragte er ihn endlich:
    »Sagen Sie mal, sind Sie nicht Guillaume Sambuc aus Remilly?«
    Und als der das nach einigem Zaudern mit unruhiger Miene zugab, machte der junge Mann eine leicht zurückweichende Bewegung, denn dieser Sambuc galt für einen fürchterlichen Schnapphahn, den würdigen Sohn einer auf üble Bahnen geratenen Familie von Holzfällern, der Vater als Säufer eines Morgens mit durchschnittener Kehle tot aufgefunden, Mutter und Tochter als Bettlerinnen und Diebinnen verschwunden, in irgendein Hurenhaus geraten. Dieser Guillaume war Wilddieb und Schmuggler; nur ein Junges aus dieser Wolfsbrut war ehrlich groß geworden, Prosper, der Chasseur d'Afrique, der aus Widerwillen gegen den Wald Knecht auf einemBauernhofe geworden war, ehe er Soldat werden konnte.
    »Ich habe Ihren Bruder in Reims und Vouziers gesehen,« fuhr Maurice fort. »Es geht ihm gut.«
    Sambuc antwortete nicht. Dann, um weiterzukommen:
    »Bringen Sie mich zum General. Sagen Sie ihm, daß Franktireurs aus dem Gehölz von Dieulet da sind, die ihm eine wichtige Mitteilung zu machen haben.«
    Als sie dann ins Lager zurückgingen, dachte Maurice über diese Freischaren nach, auf die man so große Hoffnungen gegründet hatte und die nun schon überall Klagen verursachten. Sie sollten den Krieg aus dem Hinterhalt führen, hinter Hecken auf den Feind lauern und ihn beunruhigen, seine Posten ermorden und sich in den Wäldern aufhalten, so daß keines Preußen Fuß wieder herauskäme. In Wirklichkeit waren sie auf dem besten Wege, der Schrecken der Bauern zu werden, die sie schlecht verteidigten und denen sie ihre Felder verwüsteten. Aus Abscheu vor dem ordnungsmäßigen Militärdienst traten alle vom Schicksal Enterbten schleunigst in diese Freischaren ein und waren glücklich, auf diese Weise der Manneszucht zu entrinnen, sich wie Räuber auf der Bühne in den Büschen herumtreiben zu können und zu schlafen und sich zu vergnügen, wie es kam. In einigen dieser Kompanien war der Menschenbestand wahrhaft kläglich.
    »He, Cabasse! he, Ducat!« wiederholte Sambuc fortwährend, sich bei jedem Schritt umwendend, »kommt doch her, Taugenichtse!«
    Auch von diesen beiden wußte Maurice, daß sie schlimme Brüder waren. Der große, trockene Cabasse war in Toulon geboren und früher Kellner in einem Café in Marseille gewesen, dann in Sedan als Verkäufer von Erzeugnissen desSüdens gescheitert und mit der Zuchtpolizei in nahe Berührung gekommen, eine unaufgeklärt gebliebene Diebesgeschichte. Ducat, der Kleine, Dicke, war Gerichtsvollzieher in Blainville gewesen, hatte sein Amt wegen unsauberer Geschichten mit kleinen Mädchen verkaufen müssen und war dann beinahe noch einmal wegen dergleichen Schmutzereien in Raucourt vor die Geschworenen gekommen, wo er in einer Fabrik Buchhalter war. Dieser letztere konnte lateinische Sätze anführen, während der andere kaum lesen konnte; zusammen bildeten sie ein sauberes Paar Galgenvögel.
    Im Lager wurde es schon wach. Jean und Maurice brachten die Franktireure zu Hauptmann Beaudouin, der sie zum Oberst von Vineuil führte. Dieser begann sie auszufragen; aber Sambuc wollte im Bewußtsein seiner Wichtigkeit unbedingt selbst mit dem General sprechen; und da der General Bourgain-Desfeuilles, der die Nacht bei dem Pfarrer von Oches geschlafen hatte, gerade auf der Schwelle des Pfarrhauses sichtbar wurde und voller Ingrimm war, mitten in der Nacht zu einem neuen Tagewerk voller Hunger und Ermüdung geweckt zu werden, so bereitete er den Leuten einen wütenden Empfang.
    »Wo kommen Sie her? Was wollen Sie? ... Ach, Franktireurs seid ihr! Noch mehr Schlappschwänze, was?«
    »Herr General,« erklärte Sambuc, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen, »wir

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