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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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und unsere Kameraden halten das Gehölz von Dieulet ...«
    »Wo ist denn das, das Gehölz von Dieulet?«
    »Zwischen Stenay und Mouzon, Herr General.«
    »Stenay, Mouzon, kenn' ich nicht! Wie soll ich mich unter all diesen unbekannten Namen zurechtfinden?«
    Oberst von Vineuil, dem dies peinlich war, legte sich feinfühligins Mittel, um ihn daran zu erinnern, daß Stenay und Mouzon an der Maas lägen und daß, weil die Deutschen die erste der beiden Städte besetzt hätten, man einen Versuch machen müsse, den Fluß auf der Brücke der andern weiter nördlich gelegenen zu überschreiten.
    »Schließlich wollten wir Ihnen noch melden, Herr General,« fing Sambuc wieder an, »daß die Wälder um Dieulet jetzt schon voller Preußen sind ... Als das fünfte Korps gestern Bois-les-Dames verließ, kam es zu einem Gefecht nach Nouart hinüber ...«
    »Was? Gestern haben sie gefochten?«
    »Gewiß, Herr General, das fünfte Korps hat sich geschlagen und mußte sich zurückziehen; heute nacht muß es in Beaumont sein... Während einige Kameraden losgezogen sind, um das Korps über die Bewegungen des Feindes aufzuklären, kamen wir auf den Gedanken, wir wollten Ihnen Nachricht über seine Lage bringen, damit Sie ihm zu Hilfe kommen könnten, denn morgen früh hat es sicher sechzigtausend Mann auf dem Halse.«
    General Bourgain-Desfeuilles zuckte bei dieser Zahl die Achseln.
    »Sechzigtausend Mann, zum Donnerwetter! Warum nicht gar hunderttausend? Du träumst, Bursche. Ihr habt aus Angst doppelt gesehen. So nahe bei uns können gar keine sechzigtausend Mann stehen; das müßten wir wissen.«
    Darauf versteifte er sich. Vergeblich rief Sambuc das Zeugnis Ducats und Cabasses zu Hilfe.
    »Wir haben die Geschütze gesehen,« bestätigte der Provenzale. »Und diese Teufel müssen verrückt sein, daß sie sie auf solchen Waldwegen einsetzen, wo man nach den Regengüssen in den letzten Tagen bis an die Knöchel einsinkt.«»Irgend jemand führt sie, das ist klar«, erklärte der frühere Gerichtsvollzieher.
    Aber seit Vouziers glaubte der General nicht mehr an die Vereinigung der beiden deutschen Heeresgruppen, mit der man ihm die Ohren vollgestopft hatte, wie er sagte. Und er hielt es nicht einmal für angezeigt, die Franktireure zum Führer des siebenten Korps bringen zu lassen, mit dem diese übrigens persönlich gesprochen zu haben glaubten. Wenn man auf alle Bauern und Landstreicher hörte, die angebliche Beobachtungen überbrachten, dann hätte man keinen Schritt mehr links oder rechts machen können, ohne in unmögliche Abenteuer zu stürzen. Er befahl jedoch den drei Leuten zu bleiben und die Abteilung zu begleiten, weil sie das Gelände kannten.
    »Einerlei,« meinte Jean zu Maurice, als sie zum Zusammenpacken des Zeltes gingen, »das sind doch drei fixe Kerls, daß sie vier Meilen querfeldein machen, um uns zu warnen.«
    Der junge Mann stimmte dem zu und gab ihnen auch soweit recht, da auch er das Gelände kannte und von einer tödlichen Unruhe bei dem Gedanken gequält wurde, daß die Preußen schon im Gehölz von Dieulet und auf dem Vormarsch gegen Sommauthe und Beaumont wären. Er hatte sich hingesetzt, da er schon erschöpft war, ehe es auf den Marsch ging, den Magen leer, das Herz von Angst zusammengeschnürt in der Dämmerung dieses Tagemarsches, von dem er vorher fühlte, er müsse fürchterlich werden.
    In der Verzweiflung darüber, ihn so blaß zu sehen, fragte der Korporal ihn väterlich:
    »Geht's immer noch nicht wieder, was? Ist es wieder dein Fuß?«
    Maurice verneinte mit dem Kopfe. Seinem Fuß ging es in den weiten Schuhen vollständig besser.
    »Hast du denn Hunger?«
    Und als Jean sah, daß er nicht antwortete, zog er, ohne gesehen zu werden, den einen Zwieback aus seinem Tornister; dann log er ganz unbefangen:
    »Da, ich habe dir deinen aufbewahrt ... den andern habe ich eben gegessen.«
    Der Tag brach an, als das siebente Korps Oches verließ, um über la Besace, wo es übernachten sollte, nach Mouzon zu marschieren. Zuerst war der fürchterliche Troß in Begleitung der ersten Division aufgebrochen; aber während die gutbespannten Trainfuhrwerke in flotter Gangart ausschritten, blieben die andern, die beschlagnahmten, die meist leer und ganz unnütz waren, sonderbarerweise auf den Hängen des Passes von Stonne zurück. Der Weg steigt, vor allem hinter dem Weiler von la Berlière, zwischen bewaldeten, ihn beherrschenden Hügeln an. Gegen acht Uhr, im Augenblick, als die beiden andern Divisionen sich

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