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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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werden welche fehlen.«
    Als Jean ihn ansah, fügte er dann mit ruhiger Bestimmtheit, die Augen weit in die dunkle Ferne gerichtet, hinzu:
    »Oh, ich bin morgen auch tot.«
    Es war neun Uhr, die Nacht drohte eisig kalt zu werden, denn aus der Maas hatte sich bereits der Nebel erhoben und verdeckte die Sterne. Und Maurice, der dicht neben Jean hinter einer Hecke lag, schauerte zusammen und meinte, sie legten sich doch wohl besser im Zelt hin. Aber ganz zerbrochen und zerschlagen, wie sie nach der genossenen Ruhe waren, konnte weder der eine noch der andere schlafen. Sie beneideten Leutnant Rochas neben ihnen, der unbekümmert um jeden Schutz, bloß in seinen Mantel eingewickelt, wie ein Held auf der feuchten Erde schnarchte. Lange Zeit beobachteten sie noch voller Aufmerksamkeit die kleine Flamme einer Kerze, die in einem großen Zelte brannte, wo der Oberst und einige Offiziere wachten. Herr von Vineuil war scheinbarden ganzen Abend sehr unruhig gewesen, weil keine Befehle für den nächsten Morgen kamen. Er fühlte sein Regiment in der Luft hängen, zu sehr vorgeschoben, obwohl er sich von dem am Morgen eingenommenen, noch weiter vorgeschobenen Posten bereits zurückgezogen hatte. Der General Bourgain-Desteuilles war nicht erschienen; er lag, wie es hieß, krank im Wirtshause Zum Goldenen Kreuz, und der Oberst mußte sich entscheiden, einen Offizier zu ihm zu schicken und ihm zu melden, daß ihm seine neue Stellung bei der Verzettelung des siebenten Korps zu gefährlich scheine, daß er eine zu dünn auseinandergezogene Linie von der Maasschleife bis zum Garennegehölz verteidigen müsse. Bei Tagesanbruch würde die Schlacht sicher beginnen. Man hatte nur noch sechs oder sieben Stunden tiefer, ruhiger Dunkelheit vor sich. Nachdem das kleine Flämmchen im Zelte des Obersten verlöscht war, merkte Maurice zu seinem großen Erstaunen, wie der Hauptmann Beaudouin nahe bei ihm an der Hecke entlang mit verstohlenem Schritt vorbeiging und in der Richtung auf Sedan verschwand.
    Die Nacht verdichtete sich mehr und mehr, da die starken, vom Flusse aufsteigenden Dünste sie mit einem trüben Nebel verdunkelten.
    »Schläfst du, Jean?«
    Jean schlief, und Maurice blieb nun allein. Der Gedanke, zu Lapoulle und den andern ins Zelt zu kriechen, machte ihn übel. Er hörte ihr Schnarchen, mit dem sie Rochas Antwort gaben, und beneidete sie. Wenn große Führer am Abend vor der Schlacht gut schlafen, ist das vielleicht einfach nichts weiter als ihre Abspannung. Aus dem riesigen, in Finsternis getauchten Lager hörte er weiter nichts als diesen mächtigen Atem des Schlummers, diesen gewaltigen, sanften Hauch.Weiter gab es nichts mehr; er wußte nur, daß das fünfte Korps dort unter den Wällen lagern mußte, daß das erste sich vom Garennegehölz bis an das Dorf la Moncelle erstreckte, während das zwölfte auf der andern Seite die Stadt Bazeilles besetzt hielt; und dies Ganze schlief; von den ersten bis zu den letzten Zelten stieg über eine Meile hin diese ruhige, leichte Bewegung aus dem unbestimmten Grunde des Dunkels empor. Auf der andern Seite lag dann ein anderes Unbekanntes, von dem zuweilen so ferne, leichte Geräusche zu ihm hinübertönten, daß er sie für sein eigenes Ohrensausen hätte halten mögen: verhallender Galopp von Kavallerie, schwaches Rollen von Artillerie und vor allem der gewichtige Marschtritt von Menschen, das Hinüberquellen dieses schwarzen, menschlichen Ameisenhaufens über die Höhen, diese Einschnürung, die auch die Nacht nicht aufhalten konnte. Und verlöschten dort unten nicht ganz plötzlich Feuer, tönten nicht hier und da Schreie, wuchs nicht die Angst und erfüllte diese letzte Nacht mit furchtbarer Erwartung des Tages?
    Maurice hatte tastend Jeans Hand gefaßt. Nun endlich fühlte er sich ruhiger und schlief ein. Und nun tönten nur noch aus der Ferne von einem Glockenturm in Sedan die Stunden eine nach der andern herüber.
     

Zweiter Teil

1.
    Eine heftige Erschütterung ließ Weiß in der kleinen, dunklen Kammer in Bazeilles aus dem Bette springen. Er horchte; das waren Geschütze. Mit tastender Hand mußte er Licht machen, um nach der Uhr sehen zu können: vier Uhr, der Tag brach gerade an. Lebhaft griff er nach seinem Kneifer und warf einen Blick über die große, quer durch den Ort nach Douzy führende Straße; aber die war voll einer Art dicken Dunstes, und es war nichts zu erkennen. Er ging daher in das andere Zimmer, dessen Fenster über die Wiesen nach der Maas hinausging; und nun

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