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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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das schwarze Ameisengekribbel der deutschen Truppen hinübergeströmt war. Eine Batterie feuerte von oberhalb Remilly. Eine andere, deren erste Granaten jetzt herüberkamen, hatte bei Pont-Maugis am Flußufer Stellung genommen. Er legte seinen Kneifer zusammen, so daß ein Glas über das andere kam, um die bewaldeten Abhänge besser absuchen zu können; er fand aber nur die kleinen hellen Rauchwölkchen der Geschütze, mit denen sich jetzt von Minute zu Minute die Höhen umsäumten: wo mochte sich augenblicklich der Menschenstrom anstauen, der dort hinten heruntergeflossen war? Nur auf der Marfée oberhalb von Noyers und Frénois fand er schließlich an der Ecke eines Fichtenwaldes eine Gruppe von Uniformen und Pferden heraus, ohne Zweifel Offiziere eines Stabes. Weiterhin schnitt dann die Maasschleife den Rundblick ab, und auf dieser Seite gab es keine andere Rückzugslinie als über eine enge, dem Passe von Saint-Albert folgende Straße zwischen dem Flusse und dem Ardennenwalde. Gestern hatte er auch gewagt, einen General, den er zufällig in einem Hohlwege im Givonnegrunde getroffen hatte, auf diese einzige Rückzugslinie hin anzureden; er hatte nachher erfahren, daß es General Ducrot, der Führer des ersten Korps, gewesen sei. Falls das Heer sich nicht sofort über diese Straße zurückzöge, wenn es abwartete, bis die Preußen bei Donchery über die Maas gingen und ihm diesen Durchgang abschnitten, dann würde es sicherlich festgenagelt und gegen die Grenze in die Enge getrieben werden. Am Abend war es schon zu spät, es wurde mit Bestimmtheit behauptet, Ulanenhätten sich der Brücke bemächtigt; wieder ein Fall, in dem eine Brücke nicht gesprengt wurde, diesmal, weil man nicht an das nötige Pulver gedacht hatte. Voller Verzweiflung sagte Weiß sich, der Menschenstrom, das schwarze Ameisengewimmel müsse sich in der Ebene von Donchery auf dem Marsche gegen den Paß von Saint-Albert befinden und seine Vorhut auf Saint-Menges und Floing vorschieben, wohin er gestern abend Jean und Maurice gebracht hatte. In dem blendenden Sonnenschein kam ihm der Kirchturm von Floing sehr weit entfernt, wie eine seine, weiße Nadel vor.
    Im Osten lag dann die andere Backe des Schraubstockes. Wenn er im Norden die Schlachtlinie des siebenten Korps von der Hochebene von Illy bis zu der von Floing verfolgte, die vom fünften, das man als Reserve unter den Wällen aufgestellt hatte, nur schwach unterstützt wurde, dann konnte er unmöglich ahnen, was am Givonnegehölz entlang vorging, wo das erste Korps vom Garennegrunde bis zu dem Dorfe Daigny eingesetzt war. Aber das Geschütz donnerte auch aus dieser Richtung, der Kampf mußte im Chevaliergehölz vor dem Dorfe entbrannt sein. Er fühlte sich dadurch beunruhigt, daß seit gestern Bauern durch Zeichen die Ankunft von Preußen in Francheval gemeldet hatten, so daß also die Bewegung, die sich im Westen bei Donchery vollzog, im Osten bei Francheval in gleicher Weise stattfand und die Backen des Schraubstockes sich also dort hinten im Norden auf dem Kalvarienberge von Illy schließen mußten, falls der doppelte Umgehungsmarsch nicht aufgehalten würde. Von Militärwissenschaft verstand er nichts, er besaß lediglich seinen gesunden Menschenverstand; aber er zitterte, wenn er auf dies Riesendreieck sah, dessen eine Seite die Maas bildete, während die andern beiden im Norden durch das siebente, im Ostendurch das erste Korps dargestellt wurden, wogegen das zwölfte im Süden in Bazeilles den äußersten Winkel hielt, und alle drei sich den Rücken zudrehten und, wie oder warum wußte man nicht, auf einen Feind warteten, der von allen Seiten herankam. Mitten drin lag wie auf dem Grunde eines Verließes die Stadt Sedan mit ihrer Bewaffnung von nichtgebrauchsfähigen Geschützen und ohne Schießbedarf und Lebensmittel.
    »Verstehen Sie wohl,« sagte Weiß und wiederholte seine Bewegung, indem er die Arme weit auseinanderbreitete und die Hände dann wieder zusammenbrachte, »so wird's gehen, wenn unsere Generäle sich nicht vorsehen ... Mit Ihnen hier in Bazeilles treiben sie nur ihren Scherz ...«
    Aber er drückte sich schlecht und unklar aus, und der Leutnant, der das Gelände nicht kannte, vermochte ihn nicht zu verstehen. Er zuckte also ungeduldig die Achseln und sah voller Mißachtung auf diesen Bürger im Überzieher und Kneifer, der es besser wissen wollte als der Marschall. Als Weiß wieder davon redete, der Angriff auf Bazeilles bezwecke nichts weiter als eine Ablenkung und die

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