Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.
rotblondem Haar. Doch es liegt keine Vermißtenmeldung vor, die zur Identifizierung auch des Kinderkopfes führen könnte. Außerdem besitzt die Polizei überhaupt keinen Überblick über die wirkliche Anzahl vermißter Personen. Geiseln werden genommen und er schossen, Menschen tauchen in den Untergrund, andere fliehen aus der Stadt. Sind die Toten vielleicht Kollaborateure der Nazis, hingerichtet von der Resistance? Oder deutsche Soldaten?
Der Gerichtsmediziner Dr. Paul weiß es besser. Er weiß zumindest, wo der Täter zu suchen wäre. Die Leichen sind chirurgisch fachgerecht zerlegt worden. Der Täter ist ein Arzt. Aber trotz verstärkter Kontrolle der Seinegegend ist der Mörder nicht zu fassen. Und der Mörder betreibt sein einträgliches Geschäft ruhig weiter. In der Rue Lesueur 21 türmen sich die Koffer der Ermordeten. Im Safe stapeln sich die Dollars und Schweizer Franken, die Beutel mit Diamanten und Schmuck. Und im Schuppen, in den früheren Abortgruben, reihen sich die Leichen aneinander. Längst ist es für Petiot zu umständlich geworden, die Leichen zu zerstückeln und in den Wäldern zu verstreuen. Und auch zu gefährlich, seit Polizei und Bevölkerung wachsamer geworden sind. So hat Petiot eine rationellere Methode entwickelt, die Leichen verschwinden zu lassen. Die Abortgruben, mit schweren Steindeckeln verschließbar, sind zum Friedhof seiner Opfer geworden.
Wie jeder Serienmörder hat Petiot seine Todesmaschinerie immer mehr vervollkommnet, immer effektiver werden lassen. Er hat sich nicht nur die Beseitigung der Toten erleichtert, sondern auch die Beschaffung immer neuer Opfer. Er hat sich eine Agentur geschaffen, die ihm, wie ein Reisebüro, Touristen für die Reise ins Jenseits vermittelt. Der Friseur und Perückenmacher Verrier arbeitet in diesem Sinne für Petiot, natürlich im Glauben, Gutes zu tun und den Geächteten zu helfen. Als Haarkünstler er fährt er vieles, und als Patriot auch manches Geheimnis.
Bald wissen die Kunden und die Kundigen, daß Verrier für einen gewissen Dr. Eugène tätig ist, der fluchtbereiten Juden über die Grenze hilft. Verriers Agentur hat bisher erfolgreich gearbeitet und konnte Petiot schon eine Anzahl Reisewilliger vermitteln.
Aber die Gestapo sieht es gar nicht gern, wenn ihr Menschen entrissen werden, für die sie ein anderes Reiseziel vorgesehen hat. Sie weiß von geheimer Flucht in die Zone NONO und sucht die Fluchthelfer. Und einer ihrer Spitzel bekommt heraus, daß der Friseur Verrier der Agent eines Fluchthelfers namens Dr. Eugène ist. Verriers Laden gerät ins Blickfeld der Gestapo.
Am 21. Mai 1943 hat Verrier dem Doktor mitgeteilt, ein Reisewilliger erwarte ihn in seinem Laden. Petiot verspricht, ihn gegen Mittag dort in Empfang zu nehmen.
Alle drei Beteiligten – Petiot, Verrier und der Flüchtling namens Dreyfus – wissen nicht, daß die Falle für sie bereits aufgestellt ist und gleich zuschnappen wird.
Noch kennt die Gestapo die wirkliche Identität des Dr. Eugène nicht. Den will sie fangen. Und sie hat Dreyfus als Köder für den Fluchthelfer Dr. Eugène bestimmt. Dreyfus, ein reicher junger Jude, hatte sich der Widerstandsbewegung angeschlossen und bei einem ihrer Geheimsender mitgearbeitet. Der Sender wurde entdeckt, aber Dreyfus konnte sich noch in Sicherheit bringen. Er entschloß sich, mit einigen anderen jungen Männern über die Zone NONO und Spanien nach Nordafrika zu fliehen und sich dort de Gaulles Befreiungsarmee anzuschließen. Die Flüchtlinge wurden gefaßt. Dreyfus kam in das Konzentrationslager Compiègne, die Durchgangsstation für das Vernichtungslager Lublin. Frau Dreyfus ließ nichts unversucht, ihren Ehemann zu retten. Schließlich gelang es ihr, mit mehr als drei Millionen Francs Leute zu bestechen, die die Freilassung von Dreyfus veranlassen konnten. Dreyfus mußte eine Verpflichtung unterschreiben, für die Gestapo zu arbeiten. Dieser Verpflichtung wollte er sich jedoch entziehen und erneut eine Flucht wagen. Die Gestapo mußte von dieser Absicht erfahren haben. Eines Tages kamen in einem Bistro zwei Männer mit Dreyfus ins Gespräch. Da bei erwähnten sie, es gebe eine geheime Anlaufstelle für Flüchtlinge – den Friseurladen von Verrier. Dreyfus weiß nicht, daß die beiden Ratgeber Gestapoagenten sind.
Von nun an beobachtet die Gestapo jeden seiner Schritte.
Wenige Tage später verläßt Dreyfus mit einem Lederkoffer seine Wohnung. Zwei französische Gestapoagenten folgen ihm. Zweifellos ist Dreyfus
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