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Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Titel: Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pfeiffer
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findet er vorerst Unterschlupf.
    In den nächsten Tagen liest er in den Zeitungen über das schreckliche Geheimnis in der Rue Lesueur 21. Und daß nach dem Massenmörder Dr. Petiot gefahndet werde.
    Petiot verändert sein Äußeres. Ein mächtiger Bart tarnt bald sein Gesicht. Er nutzt die Kontakte aus seiner Gefängniszeit, verschafft sich falsche Papiere, gibt sich als Arzt der Resistance aus. Unbehelligt übersteht er den Sommer und erlebt am 29. August die Befreiung von Paris durch die Alliierten.
    Wenige Wochen später wird er von einem Militärpolizisten als Dr. Petiot erkannt und verhaftet.
    Im März 1946 findet der Prozeß gegen Petiot statt.
    Die Beweise gegen ihn sind erdrückend. Zeugen, meist überlebende Verwandte der Ermordeten wie Frau Guschinow, sagen gegen ihn aus. Materielle Beweise gibt es massenhaft. 76 Koffer, 57 Paar Schuhe, ferner Anzüge, Kleider, Hüte, Unterwäsche sprechen von der mutmaßlichen Anzahl der Opfer. Der Gerichtsmediziner Dr. Paul zählt detailliert auf, wie viele und welche Leichenteile in den Kalkgruben und im Heizungskeller noch gefunden worden sind.
    Petiot hat schätzungsweise dreißig Menschen ermordet.
    Petiot selber berühren die Beweise nicht. Im Gegensatz zu anderen Serienmördern, die sich am Ende durch ein Geständnis zu entlasten oder interessant zu machen versuchen, verschweigt Petiot hartnäckig die wahren Motive seines Verbrechens. Kalt und störrisch wiederholt er immer wieder: »Ich habe im Auftrag der Widerstandsgruppe Fliegengift Hinrichtungen vollzogen. Genau zweiundsechzig.«
    Aber Angehörige dieser Widerstandsgruppe, die als Zeugen geladen sind, kennen Petiot nicht.
    So schleppt sich der Prozeß über mehrere Wochen hin. Der Arzt, dem die Verfolgten vertrauten, wird als eiskalter verlogener Killer demaskiert. Nicht erst die blutigen Zeiten unter deutscher Besatzung ließen ihn zum Verbrecher werden. Petiots kriminelles Doppelleben begann schon viel früher. Nach dem Medizinstudium ließ er sich als Arzt in einer Kleinstadt nieder, trat der Sozialistischen Partei bei, wurde Chefarzt einer Klinik und dann zum Bürgermeister gewählt. Er gehörte sogar der Liga für Menschenrechte an und beeindruckte durch salbungsvolle Reden. Mehrere Diebstähle brachten ihn um Amt und Praxis.
    In Paris suchte er einen Neuanfang. Hier trieb er zwielichtige Geschäfte mit Kriminellen und wurde wegen mehrerer Rauschgiftdelikte verurteilt. Die Strafe wurde dann auf Bewährung ausgesetzt. Es ist nie geklärt worden, warum er ein so angesehener Arzt war, der sogar zum Amtsarzt berufen wurde. Die Erfolge seiner Bestrahlungstherapien sind umstritten. Vielleicht war er nur ein charmanter Scharlatan, der seine Patienten beeindrucken konnte. Jedenfalls hatte Petiot ein hohes Einkommen, als er mit seinen Morden begann. Deshalb beschäftigte die Prozeßteilnehmer ebenso wie die Presse immer wieder die Frage: Was hat diesen Menschen zu einem Serienmörder solchen Umfanges gemacht?
    Feinsinnige und tiefschürfende psychiatrische Analysen interessierten damals nicht. Wenige Monate nach der Befreiung Frankreichs, da die Erinnerung an die Besatzungszeit noch frisch war, konnte man Petiots Verbrechen nur im Zusammenhang mit den nazistischen Massenmorden am jüdischen Volk sehen. R. A. Stemmle formulierte es in seinem Petiot-Report Reise ohne Wiederkehr so: »Petiot schaltete sich gleich dem Terror, der hier den Namen Gestapo trug. Er beschloß, ein Unteragent zu werden im Geschäft des Todes. Ein kleiner bescheidener Privatschlächter nur, abseits, unauffällig.«
    In diesem Sinne war Petiot eine Art Kriegsverbrecher.
    Seine mit eigener Hand vollzogenen Morde psychologisch zu erklären, wäre als Blasphemie erschienen. Natürlich wurde Petiot auch von Psychiatern untersucht. Sie kamen zum Ergebnis, er sei überdurchschnittlich intelligent und für seine Taten voll verantwortlich. Der Psychiater Dr. Gouriou nannte Petiot pervers, amoralisch und zutiefst verlogen: »Ich halte ihn nicht von Natur aus für ein Ungeheuer. Er hat jedoch einen Hang zum Bösen.«
    Petiots Bruder Maurice dagegen bezeichnete Marcel als geistig krank.
    Und Stemmle fragte in seinem Bericht: »War Petiot geisteskrank? War es nur die Gier nach Geld, Schmuck, Reichtum? Das ist zu wenig für derart satanische, geschickte, überlegte Mörderei. War es die grauenhafte Lust an der Qual seiner Opfer, am Anblick ihrer letzten Zuckungen – eine Perversion des normalen Trieblebens?«
    Sicherlich waren Petiots Motive komplexer

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