Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.
Tierquälerei, Bedrohung von Menschen, ersten Gewalttaten, Brandstiftung, und endeten mit Mord.
Auch die bloße Erinnerung an seine Morde brachte Kürten bereits orgiastische Befriedigung. Deshalb kehrte er auch gern an den Tatort zurück (ebenso auch andere Triebtäter wie Bartsch, Pleil, Tschikatilo). Die Rückkehr eines Täters zum Tatort ist keine Legende. Der Kriminalpsychologe v. Hentig schlägt deshalb vor, besser von der Rückkehr des Täters zu seinem Opfer zu sprechen. Sie ist lustvoll, weil er dabei erneut seine Macht über das Opfer auskostet.
Wie Prof. Sioli will auch Prof. Berg Kürten nicht nur »als die Bestie in Menschengestalt« sehen: »Wer sich näher mit diesem seltsamen Mann beschäftigt und zu scheiden vermag zwischen dem Sadisten Kürten und dem Menschen Kürten, der wird zu seiner Verwunderung in diesem Menschen Kürten neben manchen Mängeln auch Werte entdecken just in ähnlicher Mischung wie in anderen Menschen auch.« Die Erfahrung bestätige, daß Sadisten oft schwache, weiche, gutmütige Menschen seien. Ihre Schwäche, ihre Ohnmacht suchen sie auszugleichen in der absoluten Macht als Mörder.
Bei allem psychologischen Bemühen, die Ursachen des Mordtriebs aufzudecken, halten beide Psychiater Kürten für seine Taten voll verantwortlich. Er sei dabei planvoll und vorsichtig, überhaupt wohlüberlegt vorgegangen, habe geschickt seine Spuren verwischt und bei Gefährdung seiner Person (beispielsweise im Fall Maria Butlies) auch auf den geplanten Mord verzichten können. Kürten selbst leugnet seine Verantwortlichkeit nicht: »Ich hätte meine Überfälle doch nicht gelassen, es trieb mich immer wieder hinaus. Ich möchte aber auch betonen, daß ich auch des Triebes Herr werden konnte. Das ist ja meine Schuld, daß ich es nicht auch in den Mordfällen getan habe.« Ein andermal äußert er: »Ich bin eine Bestie, ein wildes Tier.«
Der Nervenarzt Dr. Sanders meint dagegen, das Schuldgeständnis Kürtens beweise durchaus nicht, daß er tatsächlich seinen Mordtrieb beherrschen konnte. Er habe ja auch mehrmals gesagt, er sei sich selbst ein Rätsel. Kürtens Verbrechen seien so grauenvoll, sein Wohlgefühl nach der Tat dieser so inadäquat, daß nur ein geistig und seelisch Kranker sie begehen konnte. Auch daß Kürten bei Gefahr von seiner Mordabsicht lassen konnte, beweise nichts. So reagiere auch ein Raubtier auf eine Störung.
Dr. Sanders faßt zusammen: »Kürtens krankhaft gesteigerte Triebstärke hat Zwangscharakter.«
Der Schwurgerichtsprozeß dauert zehn Tage. Kürten wird des Mordes in neun, des Mordversuchs in sieben Fällen für schuldig befunden und zum Tode verurteilt.
Kürten erklärt in seinem Schlußwort: »Die von mir begangenen Taten sind nach meiner jetzigen Erkenntnis so scheußlich, daß ich nicht den Versuch machen will, sie in irgendeiner Weise zu entschuldigen.« Er meint, das Milieu seiner Jugend habe den Keim zu seinen Verbrechen gelegt. Sein Geständnis habe ihn von der Last seiner Schuld befreit: »Einmal kommt auch dem schwersten Verbrecher der Zeitpunkt, daß er nicht mehr weiter kann. Und diesen seelischen Zusammenbruch habe ich erlebt.« Am Ende erklärt er: »Ich verabscheue die Taten und bedaure auch die Angehörigen aufs tiefste. Ich möchte es sogar wagen, die Angehörigen, sofern es ihnen möglich ist, zu bitten, mir zu verzeihen.«
Kurz vor seiner Hinrichtung schreibt Kürten an die Angehörigen aller seiner Opfer und bittet sie um Verzeihung.
Am 2. Juli 1931 wird Kürten durch das Fallbeil hingerichtet.
Wenn Kürten in seinem Schlußwort sagte, er habe ein Geständnis abgelegt, weil er so nicht mehr weiterleben konnte, täuschte er sich selbst. Wäre ihm sein letztes Opfer, Maria Butlies, nicht auf die Spur gekommen, hätte er weiter gemordet. Es sei denn, sein Verzicht, Maria Butlies zu ermorden, sei jenem schon genannten unterbewußten Wunsch entsprungen, endlich Schluß zu machen, also unbewußter »Selbstverrat«. Wir wissen es nicht. Fest steht aber, daß die Polizei Düsseldorfs im Fall Kürten versagt hat. Nicht sie hat Kürten zur Strecke gebracht, sondern sein letztes Opfer. Polizei und Justiz suchten ihr Versagen zu entschuldigen: Erst nach dem neunten (und letzten) Mord habe man ein und denselben Täter als Serienmörder vermutet. Kürten habe untypisch für einen Serienmörder gehandelt und seinen modus operandi durch Wechsel der Tatwaffe verändert. Außerdem sei die Polizei durch die vielen und dazu nutzlosen Hinweise der
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