Der zweite Buddha
Kind«, widersprach ich, »ich bin durchaus nicht furchtlos. Furchtlosigkeit ist meistens nur ein Zeichen dafür, daß jemand keine Phantasie hat. Nein, ich habe mich nur mit der Tatsache abgefunden, daß ich mich fürchte.«
In diesem Augenblick ging die Tür zu meinem Zimmer auf, und Elsie Brand kam heraus. Sie sah sich suchend um. Dann entdeckte sie uns. Eva Ennis war während unseres Gesprächs sehr dicht an mich herangekommen. Sie sah mich noch immer bewundernd an. Ich gebe zu, daß die Situation bei einiger Phantasie (siehe unter Furchtlosigkeit) mißverstanden werden konnte. Elsie näherte sich also mit einem diskreten Räuspern und teilte mir mit: »Es tut mir sehr leid, daß ich störe... Aber da ist eine junge Dame am Telefon; sie sagt, sie muß Sie unbedingt sprechen, Donald.«
»Wer ist es denn?«
»Das hat sie nicht gesagt.«
»Ist gut; ich komme.«
Ich warf Eva Ennis ein vielsagendes Lächeln zu und überließ es ihr, es auszulegen. Es konnte alles mögliche bedeuten. Das hoffte ich wenigstens. Dann folgte ich Elsie in mein Zimmer.
»Der werde ich gelegentlich mal ein Exemplar des Jagdrechts mitbringen«, kündigte ich an, während ich die Tür Hinter mir schloß.
»Der Dame am Telefon?« erkundigte sich Elsie kühl.
»Nein, der Ennis. Mir scheint, die hat noch einiges zu lernen - über die Beachtung der Reviergrenzen zum Beispiel.«
Ich grinste und nahm den Hörer. »Ja? Hier spricht Lam...«
Eine verängstigte Mädchenstimme meldete sich: »Donald, ich muß Sie sofort sehen... es eilt.«
»Wer spricht denn überhaupt?«
»Sylvia Hadley. «
»Ach, Sie sind’s... Was ist denn passiert?«
»Es wird erst passieren, und zwar allerhand... Hoffentlich können Sie hier sein, ehe es losgeht.«
»Was verstehen Sie unter >hier«
»Meine Wohnung; Cresta Vista, Apartment 319.«
Ich tat, als überlegte ich: »Ich weiß nicht recht... Ich habe einen Fall zu bearbeiten, wissen Sie... Es käme darauf an, um was es sich eigentlich handelt... Praktisch hat unser Klient meine Zeit gekauft.«
»Bitte, Donald... Sie müssen kommen... bitte!« flüsterte die Stimme im Hörer. »Es ist furchtbar wichtig für mich und auch für Sie... und für Phyllis Crockett.«
Ich zögerte noch. Ich wollte unbedingt vermeiden, daß der Eindruck entstand, ich risse mich darum, sie in ihrer Wohnung aufzusuchen. »Also gut«, entschied ich mich schließlich, »ich komme.«
»Aber gleich, Donald, ja? So rasch wie möglich.«
»Sobald ich hier loskomme«, versprach ich und legte auf. Dann teilte ich Elsie mit, daß ich etwas in der Stadt zu erledigen hätte. »Wenn jemand fragen sollte — in einer Stunde bin ich zurück.«
»Seien Sie vorsichtig«, warnte Elsie.
»Vorsichtig? Warum denn?«
»Ich weiß nicht recht... die Stimme der Dame hat so merkwürdig geklungen...«
14
Ungefähr eine Viertelstunde später drückte ich auf den Klinget knöpf des Apartments Nummer 319. Fast unmittelbar darauf klang die Stimme Sylvia Hadleys durch die Tür: »Wer ist da?«
»Lam«, antwortete ich.
Mit einem Ruck flog die Tür auf. »O Donald!« rief sie. »Donald, ich bin ja so unendlich froh, daß Sie hergekommen sind!«
Sie hatte sich meines Armes bemächtigt und krallte sich geradezu fest. Dabei sah sie mir tief in die Augen. Die Technik war sehr verschieden von der Eva Ennis’, aber ich beschloß, auf der Hut zu sein.
»O Donald«, flüsterte sie, »es ist alles so furchtbar!«
»Wie wäre es«, schlug ich vor, »wenn Sie mir erst einmal erzählten, was eigentlich so furchtbar ist?«
»Nicht hier...« Sie zog mich von der Wohnungstür weg, machte noch einmal kehrt, um den Riegel vorzuschieben, und führte mich dann zu einer Couch. Sie setzte sich neben mich, schüttelte die Schuhe von den Füßen, zog die Beine unter sich und rückte dicht zu mir heran. Ihre gefalteten Hände lagen auf meiner Schulter. »Ach, Donald«, seufzte sie, »es ist entsetzlich... Ich will Ihnen das alles gar nicht erzählen. Aber ich muß...«
»Wie Sie meinen. Wenn Sie müssen, dann müssen Sie eben. Also, fangen Sie an.«
»Es ist... es ist wegen dem Buddha ...«
»... des Buddhas«, korrigierte ich. »Was ist mit ihm?«
»Ich hab’ ihn genommen.«
»Aha... Darf ich rauchen?«
»Aber Donald, Sie hören mir ja gar nicht zu!«
»Doch, natürlich. Sie haben den Buddha gemopst. Darf ich rauchen?«
Jetzt schmollte sie. »Nein!«
Ich nahm eine Zigarette aus dem Etui, steckte sie an, blies den Rauch gegen die Decke und fragte
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