Der zweite Gral
zuzuhören. Die Sängerin ist ausgezeichnet. Vielleicht kennen Sie sie. Eine Französin – Roberta Monferrat.«
Augenblicklich war Emmets Aufmerksamkeit geweckt. Die Namensähnlichkeit mit dem Gründer des Rosenschwert-Ordens, Robert von Monferrat, konnte kein Zufall sein. »Danke für den Tipp«, sagte Emmet. »Ich denke, ein Drink und ein bisschen gute Musik können nicht schaden.«
In der Bar saß Lara an einem der hinteren Tische.
»Was tust du hier?«, fragte Emmet. »Hast du die Waffen schon abgeholt? Und was soll die Geheimniskrämerei? Roberta Monferrat?«
»Ich musste dich unauffällig aus deinem Zimmer locken«, sagte sie.
Emmet beschlich ein seltsames Gefühl. Laras Miene und der ernsthafte Ton in ihrer Stimme deuteten auf Schwierigkeiten hin.
»Aus dem Zimmer locken? Lara, was ist los?«
»Ich muss mit dir reden.«
Sie senkte den Blick und starrte auf die Tischplatte, so wie damals, als sie ihm in Leighley Castle gebeichtet hatte, aus einem iranischen Gefängnis ausgebrochen zu sein.
Wie sich herausstellte, täuschte Emmets Eindruck ihn nicht. Auch diesmal hatte Lara ihm betrübliche Neuigkeiten mitzuteilen. Als sie am Ende angelangt war, fühlte Emmet sich zutiefst verletzt.
»Du hast mich also tatsächlich für einen Mörder gehalten?«, fragte er.
»Ich dachte, du hast es getan, um uns zu schützen.«
»Und ich dachte, dass wir uns besser kennen.«
Jetzt starrten beide auf die Tischplatte. Minutenlang sprachen sie kein Wort.
»Es tut mir Leid, Emmet«, sagte Lara schließlich. »Tanaka hatte einen Zeugen. Was hättest du an meiner Stelle getan?«
Er wusste es nicht. Vielleicht dasselbe. Dennoch tat es weh, dass Lara ihn verdächtigt hatte.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte Lara. »Ich meine, was die Entführten angeht. Sollen wir Interpol das Feld überlassen?«
Emmet dachte nach. »Nein«, sagte er. »Die Polizei muss sich an Spielregeln halten. Assads Männer tun das nicht. Wenn Interpol mit einem Großaufgebot anmarschiert, wird es zu einem Kampf kommen, bei dem viele Polizisten sterben.«
»Aber wir sind nur zu zweit. Mit Reyhan und Anthony zu viert.«
»Genau das kann unser Vorteil sein. Manchmal ist eine kleineGuerilla-Einheit effizienter als eine ganze Armee. Wir brauchen nur die richtige Taktik.«
Aber trotz aller Zuversicht war Emmet sich darüber im Klaren, dass ihnen kein Spaziergang bevorstehen würde.
Als die Sonne schon fast am Horizont verschwunden war, fanden Tom Tanaka und Jussuf Ishak den von Lara beschriebenen Müllcontainer. Der Mann, der darin lag, war nach allen Regeln der Kunst gefesselt worden. Er hatte sich in die Hose gepinkelt, erfreute sich ansonsten aber bester Gesundheit. Obwohl er jede Aussage verweigerte, stellte sich noch am selben Abend heraus, dass er der gesuchte Polizistenmörder war. Das Kind, das den Mord beobachtet hatte, konnte ihn zweifelsfrei identifizieren.
53.
A m Montagmorgen betrat Reyhan Abdallah pünktlich zum Schichtbeginn das Labor. Die Reise nach Paris und die gestrige Busfahrt von Jeddah nach al-Quz steckten ihr noch in den Knochen, doch sie bereute nichts. Sie fühlte sich sogar ausgesprochen unternehmungslustig. Das Treffen mit Lara und Emmet hatte sie beflügelt.
Nachdem sie ihre morgendlichen Routinearbeiten erledigt hatte, wollte sie Anthony Nangala einen Besuch abstatten, um ihm mitzuteilen, dass ihre Mission erfolgreich verlaufen sei. Doch sein Bett stand nicht mehr in seinem Zimmer.
Bevor sie sich Gedanken darüber machen konnte, was mit ihm geschehen war, hörte sie hinter sich eine Stimme sagen: »Mademoiselle Abdallah?«
Sie drehte sich um und stand einem Mann gegenüber, den sie noch nie gesehen hatte, der ihr aber irgendwie bekannt vorkam.
»Mein Name ist Leclerc«, sagte er. »Mats Leclerc. Wir hatten noch nicht das Vergnügen.« Er reichte ihr eine Hand, wirkte dabei jedoch alles andere als freundlich. »Ich bin im Palast für die Sicherheit zuständig. Würden Sie mir bitte ins Büro von Doktor Goldmann folgen?«
Es war keine Frage, sondern ein Befehl. Reyhan spürte, wie ihr Magen zusammenschrumpfte. »Selbstverständlich«, sagte sie, wobei sie versuchte, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen. Was wollte Doktor Goldmann von ihr? Und weshalbschickte er einen Sicherheitsbeauftragten und nicht einen seiner Assistenten wie sonst?
Die Frage klärte sich bereits wenige Minuten später.
»Schön, Sie wieder zu sehen, Reyhan«, sagte Doktor Goldmann, als sie hinter Leclerc ins Büro trat. Er stand von
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