Der zweite Gral
sonst etwas. Der Bursche hatte gute Nehmerqualitäten. Da musste Tanaka natürlich ebenfallsdie Zähne zusammenbeißen und gute Miene zum bösen Spiel machen. Immerhin war es seine Idee gewesen, Lara und Emmet vorläufig freie Hand zu lassen.
Das Telefon klingelte. Tanaka nahm ab.
»Ich bin’s.«
»Miss Mosehni?«
»Genau. Sie werden es nicht glauben, aber ich habe ein Geschenk für Sie.«
Tanaka stutzte. »Ein Geschenk?«
»Ja. Den Polizistenmörder. Er liegt in einem leeren Müllcontainer neben einer Lagerhalle, hübsch verschnürt als Päckchen.«
»Ich weiß, wer der Mörder ist. Ich sehe ihn im Moment auf einem Videobildschirm vor mir. Er sitzt in seinem Hotelzimmer und studiert Baupläne.«
»Sie irren sich.«
»Ich habe einen Zeugen für die Tat, schon vergessen?«
»Dieser Zeuge hat nicht Emmet Walsh gesehen, sondern jemanden, der ihm ähnlich sieht – den Kerl im Müllcontainer.«
»Woher wissen Sie das?«
»Weil er ziemlich gesprächig war, als ich seine Füße in einen Schredder steckte und meinen Daumen auf den Starterknopf legte.«
»Sie haben was?«
»Keine Sorge, ich habe nicht Ernst gemacht. Die Drohung hat gereicht. Er hat gezwitschert wie eine Nachtigall.«
Tanaka schüttelte den Kopf. Lara Mosehni war nicht gerade zimperlich, aber er musste zugeben, dass ihre Dirty-Harry-Methode erfolgreich zu sein schien.
»Hören Sie, Tom, ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten«, sagte die Frau. »Ich sage Ihnen, wo ich mein Päckchen versteckt habe – Sie können also ohne großen Aufwand einen Mörder verhaften. Dafür lassen Sie Emmet und mich künftig in Frieden.«
Der Vorschlag schmeckte Tanaka nicht. Er war schon vielzu lange hinter Lara und ihren Komplizen her, als dass er jetzt so einfach aufgeben wollte. Andererseits: Wenn Emmet Walsh den Polizisten nicht umgebracht hatte, gab es nichts, was Tanaka gegen ihn in der Hand hatte. Bei Interpol war Walsh ein unbeschriebenes Blatt. Auch Lara Mosehni konnte er bislang nichts Konkretes nachweisen. Vielleicht würde er noch jahrelang vergeblich ihre Spuren verfolgen.
Im Hinblick auf seine Karriere erschien ihm das Angebot der Frau plötzlich als die bessere Alternative. Der Großteil der Rosenschwert-Bande lag ohnehin unter den Trümmern von Leighley Castle verschüttet. Bei diesem Fall gab es für Tanaka nicht mehr allzu viel zu gewinnen. Einen Polizistenmörder zu verhaften würde sich hingegen ziemlich gut in seiner Akte machen.
»Einverstanden«, sagte er. »Unter zwei Voraussetzungen. Erstens: Sie haben wirklich den Mörder des jungen Polizisten gefasst.«
»Natürlich. Und zweitens?«
»Sie stellen ab sofort die Suche nach den Vermissten ein.«
»Wir müssen diese Menschen retten!«
»Das ist nicht mehr Ihre Angelegenheit, sondern die von Interpol. Ich habe Ihr Gespräch im Hotel mitgehört und bereits entsprechende Vorbereitungen getroffen. In drei Tagen wird ein Spezialkommando in al-Quz eintreffen, bestens ausgerüstet und stark genug, um es mit Assads Söldnern aufzunehmen. Wir werden die Entführten befreien, das verspreche ich.«
Das Schweigen der Frau am anderen Ende der Leitung wertete Tanaka als Einverständnis.
»Wo genau haben Sie Ihr Päckchen hinterlegt?«, fragte er.
Lara Mosehni nannte ihm eine Adresse. Dann hängten beide ein.
Lara stand an einer Telefonzelle und überlegte. Was sollte sie tun? Vielleicht war es tatsächlich am besten, Interpol die Befreiung der Entführten zu überlassen. Andererseits konnte siediese Entscheidung nicht alleine treffen. Ein Gespräch mit Emmet war unumgänglich. Und das wiederum hieß, dass sie ihm ein Geständnis machen musste.
Sie griff erneut zum Hörer, hängte jedoch sofort wieder ein. Sie wollte persönlich mit Emmet reden. Das hatte er verdient. Außerdem hörte Tanaka am Telefon jedes Wort mit.
Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend stieg Lara wieder in den Kombi. Anstatt sich weiter in Richtung Süden zu halten, drehte sie um und fuhr zurück in die Stadt.
Emmet saß am Tisch seines Zimmers, noch immer in die Baupläne des Palasts vertieft. Es klopfte.
»Zimmerservice.«
»Herein!«
Die Tür schwang auf, und ein Page trat ein. Er hatte einen Blumenstrauß dabei, den er gegen den alten in der Vase eintauschte. »Kann ich noch irgendetwas für Sie tun, Sir?«, fragte er, als er damit fertig war.
»Nein, danke.«
An der Tür blieb der Page noch einmal stehen. »In der Bar findet heute übrigens Livemusik statt. Vielleicht haben Sie Lust, ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher