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Der zweite Gral

Der zweite Gral

Titel: Der zweite Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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Jeans und T-Shirt trugen. Emmet nickte ihm zu. Der Metzger erhob sich von seiner Decke, kam ihm entgegen und reichte ihm die Hand. Die freundschaftliche Geste lockerte die Atmosphäre sofort – jeder ging wieder seiner Beschäftigung nach. Es wurde getanzt, gesungen und geredet, als wäre Emmet seit jeher fester Bestandteil der Dorfgemeinschaft.
    »Sie haben wohl unseren Kaffee vermisst, weil Sie so schnell wiedergekommen sind«, sagte der Metzger.
    »Ich wünschte, es wäre so. Können wir irgendwo ungestört reden?«
    Dem Metzger entging nicht der Ernst in Emmets Stimme. Seine Miene verdunkelte sich, als würde der Lichtschein des flackernden Feuers plötzlich härtere Schatten in sein Gesicht werfen. »Kommen Sie mit zu meinem Haus«, sagte er und ging voraus.
    In der kleinen Küche unterhielten sie sich.
    »Wir müssen leise sein«, sagte der Metzger. »Mein Sohn liegt seit heute Morgen mit Fieber im Bett. Er schläft. Ich will nicht, dass er aufwacht.«
    »Natürlich.«
    »Wollen Sie etwas essen? Sie sehen hungrig aus.«
    Emmet nahm das Angebot dankend an, und der Metzger stellte Brot, Wurst und Ziegenkäse auf den Tisch.
    »Übrigens, ich heiße Nelson. Nelson Mgobogambele. Aber den Nachnamen kann kein Weißer richtig aussprechen. Nelson ist okay. Wie heißen Sie?«
    »Brian Fitzgerald.«
    Der Metzger sah ihn einen Moment an. »Ist nicht Ihr richtiger Name, oder?«
    »Nein. Nur, solange ich im Sudan bin.«
    Nelson Mgobogambele gab sich mit der Antwort zufrieden. »Jetzt essen Sie erst einmal was und erzählen Sie mir, weshalb Sie hier sind, Brian«, sagte er.
    Als Emmet mit seinem Bericht fertig war, blickten die beiden Männer sich eine Weile schweigend an.
    »Sind Sie sicher, dass der Jinn wieder zuschlagen wird?«, fragte Nelson schließlich.
    »Nicht der Jinn, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. Kidnapper.«
    »Aber wieso haben die es ausgerechnet auf Wad Hashabi abgesehen? Zwischen hier und der Küste liegen ein halbes Dutzend andere Dörfer. Warum kommen diese Kerle hierher?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht einfach nur, weil Wad Hashabi weit genug von der Küste entfernt ist, dass niemand eine Verbindung zur Jacht von Scheich Assad herstellt.« Emmet dachte einen Augenblick nach. »Die Entführer werden vermutlich im Lauf der nächsten drei Tage ihr Glück versuchen«, sagte er. »Wir sollten die Dorfbewohner warnen, damit sie auf der Hut sind.«
    Der Metzger seufzte. »Das würde nichts nützen. Mein Volk ist abergläubisch. N’tabo, der Dorfälteste, hat den Status eines Priesters. Sein Wort gilt. Er hat gesagt, er habe Jinn mit eigenen Augen gesehen. Und er behauptet, Jinn hole nur diejenigen, die sich von der Tradition abwenden. Anders gesagt: Nur wer an Jinn glaubt, wird von ihm verschont. Deshalb wird niemand es wagen, Ihre Entführungsgeschichte auch nur in Erwägung zu ziehen.«
    Damit hatte Emmet nicht gerechnet. »Dann wird uns nichts anderes übrig bleiben, als Wache zu schieben«, sagte er.
    Nelson Mgobogambele besaß zwei Gewehre für die Jagd – schwere, unhandliche Waffen mit Klappvisier, die aussahen, als stammten sie noch aus der Kolonialzeit. Natürlich wäre Emmet eine moderne Waffe lieber gewesen, aber seit der Zerstörung von Leighley Castle war er noch nicht dazu gekommen, sich eine zu besorgen. Bislang hatte dafür auch keine Notwendigkeit bestanden.
    Als der Metzger Emmets kritischen Blick bemerkte, sagte er: »Unterschätzen Sie meine Ladys nicht.« Er strich liebevoll über die beiden Gewehre. »Sie mögen optisch nicht mehr viel hermachen, aber Sie können einem Moskito damit auf hundert Meter Entfernung den Stechrüssel wegschießen.«
    »Sehr nett«, sagte Emmet. »Dann brauchen wir jetzt nur noch einen Stift und ein Blatt Papier.«
    Während von draußen der Gesang und das Palaver der am Feuer versammelten Hadendowa zu ihnen drang, fertigte Nelson eine Skizze von Wad Hashabi an. Als er damit fertig war, betrachtete Emmet das Werk. In der Mitte befand sich der Dorfplatz, um den nach links hin in konzentrischen Halbkreisen die Lehmhütten angeordnet waren. Jenseits des äußeren Rings hatte Nelson mehrere Rechtecke eingezeichnet.
    »Was ist das?«, wollte Emmet wissen.
    »Hauptsächlich Felder«, antwortete der Metzger. »Auch ein paar eingezäunte Bereiche für die Ziegen und Kamele.«
    Emmet beschriftete die entsprechenden Stellen und studierte die Zeichnung weiter. Rechts neben dem Dorfplatz endete der Halbkreis der Hütten und ging in eine Freifläche über, die wie eine

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