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Der zweite Gral

Der zweite Gral

Titel: Der zweite Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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breite Straße wirkte. Entlang der anderen Seitedieser Freifläche reihten sich die wenigen modernen Gebäude von Wad Hashabi: Nelsons Metzgerladen, ein winziger Supermarkt und ein paar Wohnhäuser.
    »Sehr gut«, murmelte Emmet, während er die Zeichnung auf sich wirken ließ und versuchte, sich in die Köpfe der Entführer hineinzudenken. »Aus welchen Hütten sind bisher Menschen verschwunden?«, fragte er.
    Nelson deutete darauf. Die Kidnapper hielten sich ausschließlich an die Lehmhütten, wohl weil man problemlos in sie eindringen konnte. Doch abgesehen davon konnte Emmet kein System erkennen.
    Er überlegte. Bei seinem gestrigen Besuch hatte N’tabo erwähnt, dass bisher ausschließlich bestimmte Personengruppen verschwunden waren: schwangere Frauen, Kinder unter dreizehn Jahren und einige der ältesten Bewohner von Wad Hashabi. Er bat Nelson, alle Hütten zu markieren, die von diesen Menschen bewohnt wurden. Bei den Greisen beschränkten sie sich auf die fünf betagtesten. So kristallisierten sich aus den rund achtzig Hütten rasch zehn heraus, die fur die Entführer besonders interessant sein mussten.
    »Wir teilen uns auf«, schlug Emmet vor. »Sie übernehmen die vier Hütten im Norden. Ich behalte die sechs anderen im Süden im Auge. Wie lange wird das Dorffest noch dauern?«
    »Ungefähr bis Mitternacht.«
    »Ich denke, solange das Feuer brennt und das Dorf auf den Beinen ist, besteht keine Gefahr. Wir sollten uns noch ein wenig Ruhe gönnen, damit wir fit sind, wenn die anderen sich schlafen legen.«
    »Im Wohnzimmer ist eine Couch. Machen Sie es sich dort bequem, ich wecke Sie dann.«
    »Sie sollten sich ebenfalls hinlegen, Nelson.«
    »Ja, mach ich. Aber zuerst möchte ich noch einmal nach meinem Sohn sehen.«
    Nelsons väterliche Sorge rührte Emmets Herz. »Sie müssendas nicht tun«, sagte er. »Wache schieben, meine ich. Es könnte ziemlich brenzlig werden. Ich will nicht, dass Ihnen etwas zustößt.«
    Nelson sah ihn mit offenem Blick an. »Und ich will endlich wieder friedlich hier leben können«, sagte er entschlossen.
    Die Leuchtziffern auf Emmets Armbanduhr zeigten kurz nach halb zwei an. Im Dorf war Ruhe eingekehrt. Sogar die Grillen und Zikaden hatten zu zirpen aufgehört. Am wolkenlosen Himmel funkelten die Sterne, und der Mond verbreitete fahles Licht.
    Emmet hockte auf einem morschen Baumstumpf im Schatten einer Lehmhütte, von wo aus er einen guten Überblick hatte, selbst aber nicht gesehen werden konnte. Er fröstelte trotz der Jacke, die Nelson ihm gegeben hatte. Das Gewehr lag in seiner Armbeuge.
    Er war jetzt schon seit über einer Stunde im Freien, horchte in die Nacht, lauerte. Alle fünfzehn Minuten drehte er eine Runde um die Hütten, die er bewachte. So auch jetzt, doch alles war ruhig.
    Er kehrte zum Baumstumpf zurück. Um die Kälte aus den Gliedern zu vertreiben, rieb er sich die Hände und hauchte ihnen Wärme ein. Irgendwo meckerte eine Ziege. Das erste Geräusch seit einer Ewigkeit.
    Dann glaubte Emmet plötzlich, noch etwas anderes zu hören. Einen kurzen, unterdrückten Schrei. Vielleicht nur ein Affe, dachte er. Vielleicht aber auch nicht. Er entsicherte sein Gewehr und schlich durch das im Mondlicht liegende Dorf in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Er passierte die Feuerstelle, die jetzt nur noch vor sich hin glimmte, und stieß in den nördlichen Teil des Dorfes vor. Neben einem aus Lehm und getrockneten Palmwedeln errichteten Unterstand für Viehfutter blieb er stehen. Eigentlich sollte Nelson hier sein, aber er war nicht zu sehen.
    Bestimmt dreht er seine Runde, versuchte Emmet sich einzureden, doch gleichzeitig befiel ihn eine düstere Vorahnung.
    Irgendetwas stimmte hier nicht.
    Er blieb zwei Minuten neben dem Futterlager stehen. Als Nelson dann immer noch nicht aufgetaucht war, beschloss er, nach ihm zu suchen. Vorsichtig, weil sein Instinkt ihn warnte, schlich er weiter, zum Nordrand von Wad Hashabi.
    Plötzlich sah er den Schatten. Eine dunkle Gestalt, die lautlos durch das nächtliche Dorf huschte, in einer Hütte verschwand und kurz darauf wieder zum Vorschein kam. Diesmal wirkte sie größer und schwerfälliger. Im Mondlicht erkannte Emmet, dass die Gestalt etwas auf den Schultern trug.
    Dann erblickte er noch einen Schatten, einige Häuser weiter. Auch er hatte bereits ein Opfer gefunden, eine Frau, wie Emmet bemerkte. Sie lag schlaff auf den Armen des Entführers, entweder tot oder betäubt.
    Emmet überprüfte sein Gewehr und nahm

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