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Der zweite Gral

Der zweite Gral

Titel: Der zweite Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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den geistig fit gebliebenen Alten. Umso mehr machte ihm sein zunehmender körperlicher Verfall zu schaffen. Briggs war sicher, dass Bloomfields rüder Umgangston nicht zuletzt auf dessen Unzufriedenheit über seine gesundheitliche Situation zurückzuführen war.
    »Nun stehen Sie nicht so unnütz herum, Briggs!«, krächzte Bloomfield. »Das macht mich nervös. Nehmen Sie sich einen Stuhl und erzählen Sie mir, weshalb Sie mich stören.« Er machte eine fahrige Handbewegung, und Briggs setzte sich zu ihm ans Bett.
    »Ich habe gute Neuigkeiten für Sie, Senator«, sagte der Arzt. Bloomfield war zwar schon lange nicht mehr Senator, bestand aber darauf, so angesprochen zu werden. »Vor wenigen Minuten habe ich eine Nachricht erhalten.«
    »Von Alcor?«
    Alcor, eine Firma in Phoenix, hatte sich darauf spezialisiert, Leichen vorübergehend in flüssigem Stickstoff einzufrierenund zu konservieren. Wer diesen Service in Anspruch nahm, hoffte darauf, zu einem späteren Zeitpunkt wieder zum Leben erweckt zu werden – wenn der medizinische Fortschritt in der Lage war, einem noch viele glückliche Jahre zu schenken. Für die Einfrierung des vollständigen Körpers verlangte Alcor 120.000 Dollar. Begnügte sich ein Interessent mit der Konservierung seines Kopfes, kostete dies lediglich 50.000 Dollar. Angesichts seines hohen Alters und des schlechten Gesundheitszustands hatte Wayne Bloomfield sich bei Alcor auf die Warteliste setzen lassen.
    »Keine Nachricht von Alcor«, sagte Briggs.
    »Dann fragen Sie bei denen noch mal nach!«, herrschte Bloomfield ihn an. »Sagen Sie ihnen, dass ich es eilig habe. Wenn ich morgen ins Gras beiße, will ich meinen Vertrag unter Dach und Fach haben!«
    »Sie wissen, was ich von Alcor halte«, erwiderte Briggs. In den letzten Wochen hatte er mit Bloomfield schon mehrmals darüber gesprochen. »Ein Körper, der über längere Zeit bei annähernd minus 200 Grad Celsius gelagert wird, funktioniert nach dem Auftauen nicht mehr. Das ist völlig ausgeschlossen, weil bei derartigen Temperaturen die DNA zerstört wird. Und ohne einwandfreie DNA kann keine Körperzelle ihre Arbeit tun. Alcor macht ein Geschäft mit Hoffnungen, die sich nicht erfüllen lassen.«
    »Was heute unmöglich erscheint, kann in fünfzig Jahren bereits medizinische Routine sein!«, blaffte Bloomfield.
    »Sie klammern sich an einen Strohhalm, und Sie wissen es, Senator.«
    »Wenn schon! Als ich hierher kam, haben Sie selbst gesagt, dass mir höchstens noch ein paar Monate bleiben. Aber ich will nicht wie all die anderen in einem dunklen Loch begraben werden, vergessen vom Rest der Welt. Verstanden, Briggs? Es mag Menschen geben, für die der Tod eine Erlösung ist – für mich nicht! Ich will leben! Ich bin noch nicht bereit für meinen Abgang. Deshalb gibt es für mich keine Alternative zu Alcor.«
    Briggs sah ihn ernst an. »Ich glaube, da irren Sie sich«, sagte er.

32.
    E s tat gut, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Emmet Walsh streifte sich die schwere Sauerstoffflasche vom Rücken und setzte sich ans felsige Ufer, um einen Moment zu verschnaufen. Sein Blick wanderte hinaus aufs Meer. Irgendwo, weit draußen auf dem Wasser, deutete sich der erste rötliche Schimmer des anbrechenden Tages an. Aber die Jacht war nicht mehr zu sehen.
    Emmet fühlte sich erschöpft und müde. Er war in dieser Nacht kaum zur Ruhe gekommen. Außerdem war er enttäuscht: In den letzten Stunden hatte er gleich zwei Gelegenheiten verpasst, die Kidnapper zu stellen – einmal in Wad Hashabi und einmal auf der Harmattan. Eine miserable Bilanz.
    Sein Arm pochte. An der Stelle, wo er getroffen worden war, klaffte ein ausgefranstes Loch im Neopren. Emmet öffnete den Reißverschluss, streifte sich den Anzug über die Schulter und besah sich die Wunde genauer. Erleichtert stellte er fest, dass es nur ein Streifschuss war.
    Er richtete sich auf, nahm die Sauerstoffflasche und ging hinüber zu Fasil Mgalis Haus, etwas abseits von Aqiq. Es lag dunkel vor ihm, so wie der Rest des Dorfes. Das Bild wirkte beinahe friedlich.
    Vor dem Haus entledigte Emmet sich seiner Ausrüstung – Sauerstoffflasche, Taucherbrille, Bleigürtel, Flossen, Schnorchel sowie die Messinstrumente für Tiefe, Wasserdruck und Temperatur. Auch den Neoprenanzug legte er ab, damit ertrocknen konnte. Nur mit Shorts bekleidet ging er zum Eingang und klopfte. Die Tür war nur angelehnt.
    Leise schlüpfte Emmet ins Haus. Drinnen war es so dunkel, dass man die Hand nicht vor

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