Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zweite Kuss des Judas.

Der zweite Kuss des Judas.

Titel: Der zweite Kuss des Judas. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
des Abgeordneten, das Verschwinden von Filialdirektor Patò stehen.
    Zur Ehre der Wahrheit sei gesagt, dass es in der Stadt viele Gerüchte gibt, die sich um die Vermutung ranken, Patò sei wegen Bankangelegenheiten verschleppt worden. Manche behaupten, er könnte verschleppt worden sein, um seinen Onkel, welcher der bekannte Politiker ist, gehörig unter Druck zu setzen.

      Offen gesagt, könnte es vielleicht tatsächlich notwendig sein, einen Blick in die Unterlagen der Bank zu werfen.

      Doch ohne die ordnungsgemäßen und unerlässlichen Ermächtigungen sind uns die Hände gebunden. Wir erwarten diesbezügliche Instruktio nen. Hochachtungsvoll.
       Der Maresciallo Der Polizeikommissar der Kgl. Carabinieri (Ernesto Bellavia) (Paolo Giummàro)

    ADVOKAT PROFESSOR ATTILIO LOCURATOLO
    Via Eugenio di Savoja 12 - Montelusa An
    Signor Gesualdo Barrecca
Herausgeber der »Gazzetta dell'Isola«
Via Garibaldi 3 Palermo
Montelusa, den 28. März 1890

      Hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich im Auftrag meines Mandanten Commendatore Felice Scammacca, des Präsidenten der Banca di Trinacria, gegen Sie als Herausgeber des Tagblatts »La Gazzetta dell'Isola« und den Abgeordneten Gaetano Rizzopinna, Verfasser des am heutigen Datum in Ihrer Zeitung erschienenen verleumderischen Briefes, Klage wegen verleumderischer Berichterstattung einreiche, wobei umfassende Beweismittel zur Verfügung stehen. Zur Kenntnis.
    Advokat Prof. Attilio Locuratolo

    KÖNIGLICHE PRÄFEKTUR MONTELUSA

    DER PRÄFEKT
    An den
Signor Questore Montelusa
An den
Capitano Comandante der Kgl. Carabinieri Montelusa
s treng vertraulich
Montelusa, den 29. März 1890

      Signor Questore, Signor Capitano, ich empfinde es als ausgesprochen freundliche Geste und weiß es sehr zu schätzen, dass die hochwerten Herren mich ins Bild gesetzt haben hinsichtlich der Möglichkeit, das Gericht zu Montelusa um eine Ermächtigung zu ersuchen, mittels derer Ihren Subalternen und Untergebenen in Vigàta Zugang verschafft werde zu den Unterlagen sowohl der Verwaltung wie der Korrespondenz, die sich in der Filiale der Banca di Trinacria in Vigàta befinden. Selbstverständlich haben die hochwerten Herren im Rahmen Ihrer Kompetenzen volle Handlungsfreiheit zum Zwecke der Wahrheitsfindung (denn allein die Wahrheit interessiert uns) mit den Mitteln, die Sie für angemessen und am besten geeignet halten, doch erlaube ich mir, daran zu erinnern, dass die Banca di Trinacria seinerzeit bereits einer erschöpfenden Inspektion durch die kontrollierende Banca Nazionale unterzogen wurde, die nur feststellen konnte, dass alles korrekt war.

    Erst kürzlich wurde die Filiale in Vigàta im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Filialdirektor Patò erneut einer Inspektion unterzogen, und auch in diesem Falle wurden keine Unregelmäßigkeiten gemeldet. Darüber hinaus wurde mir zur Kenntnis gebracht, dass der Präsident der Bank anlässlich des in der »Gazzetta dell'Isola« erschienenen Briefes des Abgeordneten Rizzopinna gegen den Herausgeber der Zeitung und den Abgeordneten Klage wegen Verleumdung eingereicht hat.
      Unter diesen Umständen würde sich ein Antrag auf Durchsuchung der Bankfiliale (denn um eine solche handelte es sich im Grunde) der öffentlichen Meinung (und nicht nur dieser) augenblicklich wie eine Wechselbürgschaft der Ermittler zu Gunsten einer der beiden derzeit gegnerischen Parteien darstellen.
      Zwecklos wäre dann jeder Versuch, Gerüchten, übel wollenden Mutmaßungen, mehr oder weniger deutlichen Unterstellungen Einhalt zu gebieten. Was also tun?
      Ohne im Geringsten irgendjemandem irgendetwas anempfehlen zu wollen, scheint es mir doch sehr klug, zuerst alle anderen Wege einzuschlagen, die zur Lösung des Rätsels um das Verschwinden von Antonio Patò führen könnten, und erst am Ende, als Ultima Ratio, falls sich diese Wege als versperrt oder ungangbar erweisen, der Bankfiliale diskret und auf eine mit den zuständigen Stellen abzustimmende Art und Weise einen (mehr oder weniger offiziellen) Besuch abzustatten.
      Ich möchte niemandem zu nahe treten, doch fühle ich zu erklären mich bemüßigt, dass ein solcher Besuch, sollte er stattfinden, von hoch qualifizierten Personen durchgeführt werden muss, die also in der Lage sind, sich in einem solchen Zahlendickicht zurechtzufinden, für das ich die Buchführung einer Bank halte. Mit vorzüglicher Hochachtung.
    Der Präfekt von Montelusa (Francesco Tirirò)

    L'Araldo di

Weitere Kostenlose Bücher