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Der zweite Kuss des Judas.

Der zweite Kuss des Judas.

Titel: Der zweite Kuss des Judas. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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in Zusammenhang mit dem Fall Patò
       Tgb.-Nr. 327

    In der von uns erbrochenen Schublade des Schreibtisches im
    Bureau von Antonio Patò in der Filiale der Banca di Trinacria in Vigàta haben wir Folgendes gefunden.
    Gegenstände:

    eine Bartbinde, Marke »Paris«
    ein Einreibemittel gegen Rückenschmerzen

    eine Brille mit Goldrand, bei der ein Glas fehlt
    ein Federmesser mit Perlmuttgriff
    drei Paar schwarze Schnürsenkel

    zehn leere Arzneifläschchen mit Etikett »Apotheke Lopane«
    acht unbeschriebene Kuverts und

    acht unbeschriebene Bögen Papier ohne Briefkopf
    ein leeres Metalldöschen
    vier ungespitzte rote Stifte

    ein kaputter Trockenstempel
    ein kleiner zerbrochener Schlüssel

    ein Döschen mit Kaliumchlorat-Pastillen
    zwei rote Ärmelhalter
    eine kleine Rechenmaschine, Marke »Simplex«

      Mit Ausnahme der zehn Arzneifläschchen wurden alle Gegenstände in der Schublade belassen, da sie für die Ermittlungen ohne Belang sind.
    Etliche Briefe:
      Fünf Briefe (in den dazugehörigen Kuverts), adressiert an Filialdirektor Patò, die seine Ehefrau, Signora Elisabetta Mangiafico, aus Syrakus geschickt hat: Die Signora schreibt ihrem Mann über die Ferien, die sie bei ihrer Freundin Agata verbringt, über den Gesundheitszustand der Kinder usw.
    Ein Brief von Hauptmann Arnoldo Mangiafico, in dem er den Schwager um Intervention beim Provinzialdirektor von Montelusa bittet, um einen erheblichen Aufschub bei der Rückzahlung eines zinsgünstigen hohen Darlehens zu erreichen.
      Zwei Postkarten, eine aus Neapel und eine aus Pompeji, auf deren Rückseite »Grüße und Küsse Antonietta und Carlo« steht.

    Eine Postkarte aus Catania, unterschrieben mit Giorgio.
      Ein Telegramm, unterschrieben mit Gaspare, das den Tod von Onkel Nicola anzeigt.
      Ein Kaufvertrag für die Wohnung, in der die Familie Patò derzeit lebt. Zwölf Steuerbögen.

      Vierzig Empfangsbestätigungen über verschiedene Zahlungen.

      Ein unbenutztes Billet für die Bahnstrecke VigàtaCaltanissetta Xirbi mit Weiterfahrt nach Palermo vom 7. Januar 1889.

      Einunddreißig Briefe, deren Bögen und Kuverts teils mit dem Briefkopf »Senat des Königreiches«, teils mit dem Briefkopf »Ministerium des Innern - Der Unterstaatssekretär« versehen sind; alle sind von Senator Pecoraro unterzeichnet und betreffen:
    - Gewährung von Bankkrediten

    - Gewährung von Darlehen -Senkungvon Zinssätzen
    - Stundungen von Ratenzahlungen

      - höhere Staffelung von Ratenzahlungen zu Gunsten von Bürgern, Angestellten und Geschäftsleuten aus Vigàta und Umgebung.

    Von den Fällen, in denen Darlehen gewährt wurden, hat uns besonders ein Brief des Senators interessiert, in dem er den Filialdirektor anweist, dem berüchtigten Mafioso Calogero Pirrello ein ZINSLOSES Darlehen von Lit. 150.000 (einhundertfünfzigtausend) zu gewähren. Bei der umgehenden Befragung sagte Buchhalter Vitantonio Tortorici, dieses Darlehen sei von Pirrello seinerzeit ordnungsgemäß zurückgezahlt worden, und legte uns die Unterlagen, die diese Rückzahlung am 23. September 1888 bestätigen, beflissen zur Prüfung vor. Wir haben alle genannten Schriftstücke einbehalten.
      Wir zeigten dem Apotheker Lopane eines der in der Schublade vorgefundenen Fläschchen, und er erklärte Folgendes: Es gehöre zu den Fläschchen, die er Patò verkauft habe und die eine den Schlaf fördernde Arznei gegen Schlafstörungen enthielten.
    Der Maresciallo Der Polizeikommissar d er Kgl. Carabinieri (Ernesto Bellavia) (Paolo Giummàro)

    La Gazzetta dell'Isola
    Herausgeber: Gesualdo Barreca
    Palermo, 17. April 1890

    ENDLICH!

      Wahrlich mit Freude haben wir vernommen, dass der Maresciallo der Königlichen Carabinieri und der Commissario aus Vigàta gestern den Stier bei den Hörnern gepackt, ihr Herz in beide Hände genommen und es endlich gewagt haben, die örtliche Filiale der Banca di Trinacria zu durchsuchen.

      Sie sollen die Bank mit einem umfangreichen Aktenbündel unter dem Arm verlassen haben.
      Mögen sie die Akten gut prüfen, die beiden tüchtigen Vertreter des Gesetzes, denn sie werden gewiss eine harte Nuss zu knacken haben. Dafür brauchen sie allerdings gute Zähne. Hoffentlich versperrt nicht irgendeine Intervention von oben zur Unzeit den lohnenden, wenn auch recht spät eingeschlagenen Weg. Wir trösten uns einstweilen mit dem alten Sinnspruch »Besser spät als gar nicht« und rufen laut: endlich!

    KÖNIGLICHES MINISTERIUM DES INNERN
    DER

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