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Der zweite Kuss des Judas.

Der zweite Kuss des Judas.

Titel: Der zweite Kuss des Judas. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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UNTERSTAATSSEKRETÄR
    Seiner Exzellenz
Gran. Uff. Francesco Tirirò
Präfekt von Montelusa
Eilt!
Rom, den 18. April 1890

    Hochverehrte Exzellenz!

      Es liegt mir gewisslich fern, mich mit den Gesetzesvertretern aus Montelusa und dem von diesem kontrollierten (oder korrumpierten?) Vigàta auf ein Pankration einzulassen, ebenso wenig will ich die von ihnen eingeschlagenen Pfade verschließen.

      Folglich errichte ich nicht unbesonnen und überstürzt Dornenhecken, innerer Drang lässt mich die voreilige Durchsuchung der Filiale der Banca di Trinacria in Vigàta als unangemessenen Akt missbilligen, der zu nichts führen wird als zur Befruchtung finsterer Gerüchte, und dies zum großen Schaden meiner und meines über alles geliebten Neffen Ehre.
      Nicht zum Rächer werfe ich mich auf, ich bin nur ein Verfechter umsichtigen und diskreten Handelns, nicht Groll leitet mich, doch wer nicht abzuwägen wusste, der stimme den Threnos an.
       Der Unterstaatssekretär
       (Gran. Uff. Senator Artidoro Pecoraro)
    Post scriptum:
      So bald als möglich werden S. Exz., der Minister, und ich Präfekten auswechseln: Haben Sie irgendwelche Präferenzen?

    TERRITORIALKOMMANDO

    DER KÖNIGLICHEN CARABINIERI VON PALERMO
    DER KOMMANDIERENDE GENERAL
    An den
    Kommandanten d er Kgl. Carabinieri
Capitano Arturo Carlo Bosisio Montelusa
Palermo, den 18. April 1890

    Capitano!
      Ich möchte Sie daran erinnern, dass ich, als Sie mich über die Zusammenarbeit eines Maresciallo aus unseren Reihen mit einem Commissario in Vigàta informierten, deutliche Aversion geäußert habe, da ich aus unnatürlichen Verbindungen mit Zivilisten immer verhängnisvolle Folgen befürchte.
    Die auch eingetreten sind.

      Man hat mich schikaniert, man hat mich, bis mir die Galle übergelaufen ist, hart bedrängt, ich solle intervenieren und Ihnen erklären, dass das Königliche Polizeipräsidium Montelusa im Fall des verschwundenen Filialdirektors Patò ganz andere Ziele verfolgt als die schlichte gebotene Wahrheitsfindung, denn wie mir berichtet wurde, hat das Polizeipräsidium keine Scheu, sich hohen politischen Persönlichkeiten gegenüber auf die eine oder andere Weise ungehörig zu benehmen.
      Beurteilen Sie selbst, Capitano, wie man am besten vorgehen sollte.
    Der Kommandierende General (Artemio Chavez)

    KÖNIGLICHES MINISTERIUM DES INNERN
    DER LEITER DES KABINETTS
    S. EXZ., DES MINISTERS
    An den
Signor Questore
Comm. Liborio Bonafede Montelusa

    Eilt! s treng vertraulich Rom, den 18. April 1890

    Libò, was ist denn los mit dir?
      Was baust du eigentlich für einen Mist bei den Ermittlungen über diesen verschwundenen Filialdirektor, der den Judas gespielt hat?
      Libò, gib Acht: Die Geschichte stinkt hinten und vorne. Du weißt doch, dass dieser Patò nicht nur der Neffe von du weißt schon wem ist, sondern auch der verlängerte Arm seines lieben Onkels bei dessen Geschäften mit der Banca di Trinacria. Warum hast du mit dieser Durchsuchung schlafende Hunde geweckt?

      Das liebe Onkelchen braust durch die Flure des Ministeriums und speit Gift und Galle: Der ist, wenn du Mist baust, fähig und steckt dich in das gottverlassenste Nest unseres schönen Italien. Pass bloß auf, Libò.
    Sei in Liebe umarmt im Namen unserer alten Freundschaft.
    Vincenzo La Pergola

    KÖNIGLICHES POLIZEIPRÄSIDIUM MONTELUSA
    DER POLIZEIPRÄSIDENT
    An den
Commissario Vigàta
An den
    Maresciallo der Kgl. Carabinieri Vigàta Montelusa, den 19. April 1890

    Wir missbilligen scharf die Art und Weise, wie Sie die Durchsuchung der Filiale der Banca di Trinacria in Vigàta vorgenommen haben: am hellichten Tag, in Gegenwart von Angestellten und Passanten, ohne der gebührenden Diskretion auch nur im Geringsten Genüge zu tun. Darüber hinaus dünkt uns der Einsatz, wie aus dem minutiösen Verzeichnis zu ersehen, in überflüssige Auflistungen von Bartbinden und leeren Fläschchen zu entgleisen, denn der einzige Gegenstand von gewissem Interesse sind die Briefe, die Senator Pecoraro als Fürsprecher einiger seiner Wähler dem Neffen Antonio Patò geschrieben hat. Diese Briefe können zwar ein Indiz für politische Unsitten sein, doch sind sie gewiss kein Hinweis auf künftige strafrechtliche Vergehen.

      Daher fordern wir Sie auf, die vorgefundenen Briefe, ohne irgendetwas über sie zu verlautbaren, bei sich zu verwahren, bis wir Ihnen in Kürze einen zukünftigen Aufbewahrungsort angeben.
      In Anbetracht der Wendung in den Ereignissen fordern

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