Der Zweite Messias
wollte – einschließlich seiner eigenen schweren Sünde.
Doch genau dadurch drohte er die Kirche und sich selbst zu zerstören.
Gott, hilf mir.
Der ferne Gesang, der bis in seine Zelle drang, wurde plötzlich durch das schrille Geläut seines Handys auf dem Nachttisch unterbrochen. Becket blickte auf das Display und sah, dass er eine Textnachricht erhalten hatte. Als er sie las, wich alle Farbe aus seinem Gesicht.
Auf diesen Augenblick hatte er gewartet.
Er zog eine schwarze Ledertasche unter dem Bett hervor, verließ seine Zelle und ging zum Büros des Abts.
Der Abt hatte seine Lesebrille aufgesetzt und blätterte in Unterlagen. Als Becket im Türrahmen erschien, sprang er auf. Sein Blick fiel auf die schwarze Ledertasche in der Hand des Papstes. »Heiliger Vater«, sagte er erschrocken. »Ist alles in Ordnung? Sie sehen blass aus.«
»Sie müssen mir Ihren Wagen leihen, Fabrio. Ich habe etwas Wichtiges zu erledigen. Der rote Fiat 500, mit dem Sie immer fahren – steht er zur Verfügung?«
Der Abt starrte den Papst verwirrt an. »Ja, aber … aber das ist doch nicht angemessen. Sie brauchen einen Fahrer und Ihre Leibwächter.«
Der Papst hob abwehrend eine Hand. »Ich brauche weder einen Fahrer noch Bodyguards. Ich brauche den Wagen, Fabrio, und zwar sofort. Es ist dringend. Geben Sie mir die Schlüssel.«
»Heiliger Vater, ich habe die Anweisung, auf Sie achtzugeben …«
»Und jetzt erteile ich Ihnen die Anweisung, mir die Autoschlüssel zu geben, Fabrio. Es geht um Leben und Tod. Ich habe keine Sekunde zu verlieren.« Der Papst hielt ihm die Hand hin.
Der Abt öffnete eine Schreibtischschublade und nahm die Autoschlüssel heraus. »Heiliger Vater, es kann doch nicht Ihr Ernst sein, alleine durch Rom zu fahren. Der Verkehr in dieser Stadt ist mörderisch.«
Der Papst nahm dem Abt die Schlüssel aus der Hand. »Es tut mir leid, Fabrio, aber ich habe keine Zeit für Diskussionen.« Sein Blick fiel auf eine schlichte braune Kutte, die über einer Stuhllehne hing. Becket nahm sie an sich und hängte sie sich über den Arm. »Ich muss mir diese Kutte ausleihen. Kein Wort zu niemandem, dass ich das Kloster verlassen habe. Das ist ein päpstlicher Befehl.«
»Wenn Sie darauf bestehen.«
»Das tue ich. Bitten Sie die Wachen, das Tor zu öffnen, so schnell es geht. Sagen Sie, dass Sie sofort wegfahren müssen, weil Sie einen dringenden Termin haben, bei dem Sie sich nicht verspäten dürfen …«
»Dass ich das Kloster verlasse? Ich soll die Wachen belügen , Heiliger Vater?«
Der Papst schien kurz davor, die Nerven zu verlieren. Seine angespannte Miene ließ erkennen, dass er unter schrecklichem Druck stand. »Ich habe fast mein ganzes Leben mit einer Lüge verbracht, Fabrio. Da kommt es auf eine mehr nicht an.«
Der Abt runzelte verwirrt die Stirn. »Ich verstehe nicht, Heiliger Vater … Wohin wollen Sie überhaupt?«
»Je weniger Sie wissen, desto besser.«
Der junge Mann mit dem Schnurrbart war verwirrt. Er trug Jeans, eine dunkle Sonnenbrille, ein ausgewaschenes Levis-T-Shirt und ein Kordsamtjackett und saß auf dem Beifahrersitz des dunkelblauen Alfa Romeo, der gegenüber vom Kloster parkte.
Die Wachen öffneten das elektrische Tor, und ein kleiner roter Fiat schoss aus der Einfahrt. Der hochgewachsene Mönch hinter dem Steuer trug eine braune Kutte und hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. In hohem Tempo fuhr der Fiat die Straße hinunter.
Der junge Mann runzelte die Stirn. Welcher Mönch zog sich beim Autofahren die Kapuze in die Stirn? Er kratzte sich am Kopf, nahm ein Notizheft und einen Stift vom Fahrersitz und schrieb sich das Kennzeichen des Fiat auf. Dann griff er nach seinem Handy und wählte eine Nummer. Nach dem zweiten Klingeln meldete sich eine Männerstimme. »Ryan.«
»Hier ist Angelo Butoni, Monsignore.«
»Angelo. Was gibt’s?«
Butoni war ein erfahrener Sicherheitsbeamter des Vatikans. Er blickte dem roten Fiat hinterher, der die lange Allee hinunterfuhr, die vom Kloster wegführte. »Sie sagten, ich solle sofortanrufen, wenn der Onkel das Kloster verlässt. Ich habe ihn zwar nicht gesehen, aber etwas Sonderbares beobachtet.«
»Und was?«
»Gerade eben kam ein roter Fiat 500 mit hoher Geschwindigkeit aus der Klostereinfahrt. Ein Mönch saß am Steuer. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, weil er die Kapuze tief in die Stirn gezogen hatte.«
»Könnte es der Onkel gewesen sein?«, fragte Ryan.
Butoni strich über seinen Schnurrbart und starrte dem Fiat
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