Der Zweite Messias
Blick unverwandt auf Beckets Rücken gerichtet.
Der Papst schien etwas zu spüren, denn unvermittelt erhob er sich auf die Knie, bekreuzigte sich und drehte sich um. Als er Cassini hinter sich stehen sah, runzelte er die Stirn.
Der Sizilianer grinste verzerrt.
»Umberto. Was …?« Die Worte erstarben auf Beckets Lippen, als Cassini die Klinge unter seinem Gewand hervorriss. »Verräter!«, rief er. »Teufel! Du wirst nichts mehr zerstören!«
Wie von Sinnen stach er zu.
124.
Gefolgt von Angelo Butoni und den anderen Sicherheitskräften rannte Ryan den Korridor hinunter.
Sie erreichen einen Treppenabsatz. Ryan sah eine Tür, riss sie auf und stürmte in den Raum dahinter, die Pistole im Anschlag. Butoni und die anderen Sicherheitskräfte folgten ihm.
Ryans Gesicht war schweißüberströmt, als er die Waffe von links nach rechts schwenkte und den Flüchtigen in der Waffenkammer suchte.
Drei massive, graue Metallkisten mit stabilen Schlössern standen an einer Wand.
Ryan untersuchte die Schlösser und sah Kratzspuren auf der grauen Farbe. Er rüttelte an jedem Schloss. Sie waren alle fest verschlossen. »Sieht so aus, als hätte jemand versucht, die Kisten aufzubrechen, um an die Waffen zu kommen.«
»Cassini.«
»Wer sonst?«
Die anderen Wachmänner durchsuchten die Kammer und überprüften die Türen. »Sämtliche Türen sind verschlossen«, sagte Butoni schließlich. »Ich glaube nicht, dass Cassini noch in der Nähe ist.«
Ryan lief bereits zurück in den Geheimgang. »Er ist auf dem Weg in die Sixtinische Kapelle, jede Wette.«
Gefolgt von Butoni und den anderen Wachmännern, rannte Ryan die Wendeltreppe hinunter. Kurz darauf gelangte er zum nächsten Treppenabsatz mit einer verschlossenen Geheimtür. Als er sich mit der Schulter dagegenwarf, öffnete sich ein kleiner Spalt, und ein Lichtstrahl vom Gang dahinter fiel hindurch.
»Da steht irgendwas hinter der Tür«, stieß Ryan hervor. »Helfen Sie mir, Angelo.«
Die beiden Männer warfen sich gemeinsam mit den Schultern gegen die Tür, worauf sie sich ein paar Zentimeter weiter öffnete. Ryan spähte durch den Spalt. »Sieht so aus, als würde eine Bank die Tür blockieren. Treten Sie zurück.«
Ryan nahm einen kurzen Anlauf und sprang mit einem Fuß gegen die Tür. Das Holz krachte, und das Möbelstück auf der anderen Seite bewegte sich. Ermutigt warf Ryan sich noch einmal mit der Schulter gegen die Tür. »Helft mir. Alle zusammen. Los!«
Gemeinsam mit Butoni und den anderen drückte und schob Ryan mit aller Kraft. Die Männer hörten, wie die Bank auf der anderen Seite über den Boden schleifte. Schließlich hatte die Tür einen halben Meter nachgegeben. Ryan zwängte sich durch die Öffnung. Die anderen folgten ihm.
Die Männer gelangten auf einen Gang mit hohen, weißen Stuckwänden und Buntglasfenstern. Am gegenüberliegenden Ende des Gangs befand sich eine pastellblau gestrichene Tür – einer der Eingänge zur Sixtinischen Kapelle.
Kaum standen die Männer auf dem Gang, drang ein erstickter Schrei aus der Kapelle.
»Mein Gott!«, stieß Ryan hervor und rannte über den Marmorboden auf die blaue Tür zu, stieß sie auf und stürmte mit den anderen in die Sixtinische Kapelle. Als sein Blick auf den Marmorboden in der Nähe des Altars fiel, gefror ihm das Blut in den Adern.
Cassini kniete auf dem Boden und beugte sich über John Becket, der auf den Marmorfliesen lag. Cassini hielt mit beiden Händen eine Klinge und stieß sie immer wieder in Beckets Brust. Das weiße Gewand des Papstes war blutdurchtränkt.
»Cassini!« Ryans verzweifelter Ruf hallte durch die Kapelle.
Cassinis Kopf fuhr herum. Er keuchte von der Anstrengung, und in seinen Augen funkelte Wahnsinn. Sein Gewand war mit Blut bespritzt.
»Hören Sie auf!«, rief Ryan.
Doch Cassini hörte nicht auf ihn und hob die Klinge, um abermals auf den Papst einzustechen.
Ryan feuerte. Zwei Kugeln drangen in Cassinis Brust und Kopf. Die Wucht der Geschosse schleuderte seinen Körper rücklings gegen den Altar. Die Schüsse klangen in der Stille der Sixtinischen Kapelle wie Donnerschläge, und ihr Echo hallte von Michelangelos Visionen der Apokalypse, der Schöpfung und der Sintflut wider.
125.
Der Learjet drang um kurz nach halb vier nachts in den libanesischen Luftraum ein. Die Maschine flog in siebentausend Metern Höhe dicht über den Wolken.
Hassan saß in der luxuriösen Privatkabine in einem Ledersitz. Er trug einen teuren Leinenanzug, ein modisches Hemd,
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