Der Zweite Messias
erfährst du erst, wenn mein Chef es dir sagt. Ich habe strikten Befehl, den Mund zu halten. Heute war mein freier Tag. Ich habe mit meiner Familie gegrillt und ein paar kalte Bier getrunken, als ich den Anruf aus der Zentrale bekam.«
»Aber du weißt, um was es geht?«
Aris fröhliche Miene wurde ernst. »Ich kann dir die Frage nicht beantworten, weil ich sonst Probleme kriege. Entspann dich, du wirst es gleich erfahren, Lela. Jetzt erzähl mal von dir.«
Fünfzehn Minuten später fuhr Ari auf ein Privatgrundstück in Herzlia nördlich von Tel Aviv, auf dem ein Betongebäude stand. Die israelische Flagge – blau und weiß, mit dem Jackstern in der Mitte – flatterte an einem Mast über der Mossad-Zentrale. Zwei bewaffnete uniformierte Wachen standen vor einer Schranke.Nachdem sie Aris Papiere und Lelas Ausweis überprüft hatten, durfte der Wagen passieren.
Ari hielt vor dem Gebäude. Ein Wachposten, vor dessen Bauch eine Maschinenpistole baumelte, kam zum Wagen und öffnete die Türen.
»Hast du den Chef des Mossad schon mal kennen gelernt?«, fragte Ari und half Lela beim Aussteigen.
»Nein.«
Ari grinste und gab ihr einen Klaps auf den Rücken. »Dann steigst du nun in den Kreis der Auserwählten auf. Komm, ich bringe dich ins oberste Stockwerk. Dann begegnest du Gott persönlich.«
30.
Julius Weiss sah wie ein harmloser Exzentriker aus. Ein untersetzter Mann mit kalten Augen und einem starren Blick, dem die Sicherheit Israels über alles ging. Er wurde HaMemuneh genannt, was so viel wie »der Verantwortliche« hieß, und stand im Rang eines Generals, doch als Chef des Mossad trug er nie Uniform. Stattdessen bevorzugte er anonyme Kleidung.
An diesem Nachmittag trug Weiss ein Hemd ohne Krawatte und abgetragene Ledersandalen. Er saß hinter seinem Schreibtisch und las in einer Akte, als Lela von Ari ins Büro geführt wurde. Weiss klappte die Akte zu, kam zu Lela und begrüßte sie. »Inspektor Raul. Wie war der Flug?«
»Er wäre angenehmer gewesen, wenn ich gewusst hätte, warum Sie mich herzitiert haben.«
Weiss lächelte. »Holen Sie bitte Kaffee, Ari.«
»Ja, Sir.« Tauber verließ das Büro und schloss die Tür hinter sich.
Weiss bot Lela einen Platz an. »Setzen Sie sich bitte, Inspektor. Ich bin Julius Weiss, Chef des Mossad. Mich interessiert einer Ihrer Fälle. Der Mord in Qumran an dem amerikanischen Archäologen Professor Green. Würden Sie mich bitte darüber aufklären?«
»Verzeihen Sie, Sir, aber es handelt sich um eine laufende Ermittlung der Polizei.«
Weiss runzelte seine buschigen Augenbrauen. Offenbar war er es nicht gewohnt, dass jemand ihm widersprach. »Und jetzt mache ich einen Fall des Mossad daraus. Eine Schriftrolle aus dem Altertum, die man in Qumran entdeckt hat, wurde ebenfalls gestohlen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Sämtliche Artefakte, die auf israelischem Boden gefunden werden, sind Eigentum des Staates. Daher fällt ein solcher Diebstahl in meine Verantwortlichkeit. Ich habe bereits mit Ihrem Vorgesetzten gesprochen, und er hat mir Ihre volle Kooperation zugesichert. Ich nehme an, das hat er Ihnen schon gesagt?«
»Ja«, erwiderte Lela trotzig. »Das heißt aber nicht, dass es mir gefallen muss, wenn der Mossad seine Nase in einen meiner Fälle steckt.«
Weiss nahm den Hörer ab und reichte ihn Lela. »Vielleicht sollten Sie Ihren Chef noch mal anrufen und ihn bitten, seine Empfehlung zu wiederholen.«
Lela blickte in Weiss’ durchdringende Augen. »Was genau wollen Sie wissen?«
Weiss legte den Hörer auf. Seine Autorität war wiederhergestellt. »Alles, Inspektor. Lassen Sie nichts aus.«Zehn Minuten später hatte Lela alles berichtet, was sie wusste. Der Chef des Mossad schaute nachdenklich auf ihr Notizheft, das geöffnet auf seinem Schreibtisch lag, und las die Sätze, die Lela aus Jack Canes Notizheft abgeschrieben hatte. Schließlich hob Weiss den Blick. »Noch eine Frage, um Missverständnisse zu vermeiden. Abgesehen von diesen scheinbar sonderbaren Zeilen des Textes und der Erwähnung von Jesus Christus kennt niemand den ganzen Inhalt der Schriftrolle, richtig?«
Lela nickte. »Cane hat gesagt, sie konnten das Pergament nicht weiter abrollen, weil die Gefahr zu groß war, dass es dabei beschädigt wurde. Der Professor glaubte dennoch, das Dokument könnte als handfester Beweis für die Existenz Jesu Christi dienen. Offenbar sind solche Beweise rar.«
»Ich nehme an, er hatte nicht die Zeit, das Alter der Schriftrolle mit wissenschaftlichen Methoden
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