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Der Zweite Messias

Titel: Der Zweite Messias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Meade
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Cassini wartete einen Moment, bis sie außer Hörweite waren. Dann blickte er auf das Essen und lächelte. »Zuerst das Tischgebet, dann reden wir.«
    Er faltete die Hände und senkte den Kopf. Ryan folgte seinem Beispiel, während Cassini das Gebet sprach.
32.
    Das Essen war erstklassig. Cassini war ein Mann, der gute Speisen zu schätzen wusste, und er ließ es sich schmecken. »Also, Sean, was beunruhigt Sie?«
    »Ich habe den Heiligen Vater gebeten, sich möglichst selten in der Öffentlichkeit zu bewegen und stets eine kugelsichere Weste unter seiner Soutane zu tragen, zumindest in den nächsten Monaten.«
    »Und wie lautete seine Antwort?«
    »Er hat es kategorisch abgelehnt. Er hat mich angeschaut und gesagt: ›Ich vertraue auf Gott.‹«
    Cassini aß ein zartes Stück Saltimbocca und spülte mit einem großen Schluck Barolo nach. »Da ich John Becket kenne, wundert mich das kaum. Er ist ein bemerkenswerter Mann, der sich nicht so schnell einschüchtern lässt.«
    »Sein Mut ist bewundernswert, Eminenz, genauso wie sein Glaube, aber es ist meine Aufgabe, ihn zu beschützen. Undanders, als viele Menschen glauben, ist die Ermordung einer öffentlichen Person gar nicht so schwierig.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Denken Sie nur an die Ermordung des israelischen Premierministers Yitzhak Rabin. Oder an Jack und Bobby Kennedy. Oder an den Mordversuch an Ronald Reagan. Alles hohe Staatsmänner, die schwer bewacht wurden. Dennoch wurden sie alle von Kugeln getroffen. Warum? Das ist einfach zu erklären. Trotz sorgfältigster Planung und einer Vielzahl an Sicherheitskräften in ihrer unmittelbaren Nähe brauchten alle Attentäter nur eine winzige Schwachstelle.«
    »Was wollen Sie damit sagen, Sean?«
    »Dass es keine Garantie gibt. Egal, wie gut wir den Papst abschirmen – die Geschichte lehrt uns, dass es immer eine Schwachstelle gibt. Eine günstige Gelegenheit, die der Mörder nutzen kann, wobei er die Überraschung auf seiner Seite hat. Er muss nicht einmal besonders intelligent oder ein Meisterschütze sein. Er braucht nur ein bisschen Glück.«
    Cassini trank einen Schluck Wein und musterte Sean schweigend.
    »Ali Ağca ist ein klassisches Beispiel«, fuhr Sean fort. »Sie hätten ihn auch ›den Schakal‹ nennen können, aber er war nicht besonders helle. Obwohl sich an diesem Tag Tausende römischer Carabinieri und Sicherheitskräfte in der Nähe des Papstes aufhielten, gelang es ihm, fünf Schüsse abzugeben. Drei davon trafen.«
    »Ağca wurde in Libyen vom KGB zum Attentäter ausgebildet, nicht wahr?«
    Ryan, der erst die Hälfte der Fettuccine gegessen hatte, schob den Teller zur Seite und schüttelte den Kopf. »Vielleicht war er ausgebildet, aber wie die meisten Attentäter war er dennoch keinProfi. Der beste Beweis dafür ist, dass es ihm nicht gelungen ist, seine Zielperson zu töten, und dass er gefasst wurde.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Wenn ich nur daran denke, welche Chance wir gegen einen richtigen Profi hätten, bekomme ich es mit der Angst zu tun. Und es wird immer einen anderen Schakal geben, der von überall her kommen könnte.«
    »Woher, zum Beispiel?«
    Hinter dem Vorhang war ein Geräusch zu hören, worauf eine diskrete Pause folgte, ehe der Kellner den Raum betrat und das Geschirr abräumte. »Dessert, Eure Eminenz?«
    Cassini schaute in die Speisekarte und bestellte sich ein Stück Banoffi, einen Amaretto-Kaffee und zum Abschluss einen Cognac. Ryan bestellte sich das einfachste Dessert, das im L’Eau Vive angeboten wurde: einen Salat aus frischen Früchten mit ein wenig Lavendelhonig, dazu einen Tee. Die Männer warteten, bis die Desserts und Getränke gebracht wurden. Als der Kellner den Raum verlassen hatte, aß Cassini ein Stück von der Tortenspezialität. »Sie wollten mir gerade sagen, woher dieser Schakal kommen könnte«, sagte er dann.
    »Praktisch aus jedem erdenklichen Lager. Wie in jeder Religion, gibt es auch im Katholizismus Dissidenten, Fanatiker mit eigenen Vorstellungen und Verrückte, die irgendeinen Groll hegen oder völlig abwegige Ideen verfolgen. Sogar Terroristen wie die Roten Brigaden, die Italien jahrzehntelang in Atem gehalten haben und mehr als einmal verdächtigt wurden, einen Mordanschlag auf den damaligen Papst zu planen, waren größtenteils rechtsgerichtete Katholiken.« Ryan schob das Dessert zur Seite, gab zwei Stücke Würfelzucker in den Tee und rührte ihn um, ehe er fortfuhr: »Dann gibt es die konservativen geheimen Logen innerhalb der

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