Der zweite Mord
geglaubt, dass sie so verdammt gut ist und … clever. Kennt sich mit Computern aus und weiß immer das Neueste. Einfach nur den Busen schwenken, und schon kommt die nächste Beförderung, schon warten neue Vergünstigungen. Quotenfrauen! Flirten und allen schöne Augen machen! Aber ich habe sie durchschaut.«
Er sah zu Birgitta hoch, als die Anklagen aus ihm heraussprudelten. Obwohl diese durch nichts gerechtfertigt waren, sah Irene, wie Birgitta die Tränen in die Augen traten. Irene wusste, dass das alles nur Lügen waren. Birgitta war wirklich clever und geschickt im Umgang mit Computern, aber sie hatte nie mit Kollegen geflirtet. Die Ausnahme war Fredrik, aber in ihn war sie immerhin verliebt gewesen.
Andersson wurde hochrot, sagte aber nichts, sondern strich sich nur wiederholte Male mit der rechten Hand über die Glatze und das spärliche Haar im Nacken. Schließlich beugte er sich über den Schreibtisch und sah Hans durchdringend in die Augen. Mit nur mühsam unterdrückter Wut in der Stimme sagte er:
»Du erzählst Scheiße! Birgitta ist gut. Aber du hast offenbar ein Problem. Jetzt gehst du nach Hause und lässt dich ein paar Tage krankschreiben. Ich muss das hier mit einer höheren Instanz abklären. Das ist dir doch klar.«
Hans saß unbeweglich da und antwortete nicht. Birgitta wollte erst etwas sagen, presste dann aber die Lippen zusammen.
»Du kannst jetzt gehen. Ich lasse heute am Spätnachmittag telefonisch von mir hören«, fuhr Andersson fort.
Mit einem letzten hasserfüllten Blick auf Birgitta stand Hans auf und trottete aus dem Zimmer. Der Kommissar seufzte schwer und sah Irene müde an.
»Das hier ist eine alte Geschichte. Vor fast anderthalb Jahren erzählte mir Birgitta, dass ihr jemand mit der Hauspost Bilder aus pornografischen Zeitschriften schickt. Es war darüber hinaus noch etwas vorgefallen … und sie beschuldigte Jonny. Jonny bestritt, dass er hinter der Sache steckte.«
Birgitta konnte sich nicht mehr zurückhalten:
»Das war wohl nicht so verwunderlich! So wie der mich immer begrabscht hat, seit ich hier im Dezernat angefangen habe! Und diese ganzen Witze über Sex, die er dauernd erzählt, und diese ständigen Zweideutigkeiten!«
Sie unterbrach sich und versuchte sich zu beruhigen, ehe sie fortfuhr:
»Das Ganze fing vor fast vier Jahren an. Im Abstand von einigen Wochen tauchte ein Hauspostumschlag mit pornografischen Bildern nach dem anderen auf. Es wurde etwas besser, als ich letztes Frühjahr mit Fredrik zusammen war. Jetzt hat es wieder angefangen, seit ich im Oktober aus Australien zurückgekommen bin. Aber jetzt habe ich die Umschläge immer Sven gegeben.«
Der Kommissar nickte.
»Ich habe fünf Stück bei mir im Schrank weggeschlossen. Wir haben die Bilder auf Fingerabdrücke überprüft, aber keine gefunden. Auf den beiden letzten Umschlägen stand mit grünem Filzstift Birgittas Name. Heute Morgen sah Birgitta, dass ein Umschlag, der mit demselben grünen Stift beschriftet war, in ihrem Fach lag. Genau da kam ich dazu. Ich hatte mich gerade vorher darum gekümmert, dass Hannu Rauhala zu uns stößt. Es konnte also nicht Jonny sein, weil dieser gestern Abend krank geworden war. Nur ich wusste, dass er heute nicht kommen würde, da er mich ziemlich spät noch angerufen hatte. Birgitta und ich beschlossen, den Umschlag liegen zu lassen und zu sehen, ob etwas passieren würde. Und so war es dann auch.«
Er versank eine Weile in Schweigen. Geistesabwesend strich er sich über den kahlen Kopf. Er sah plötzlich alt und verbraucht aus. Zu Birgitta und Irene gewandt, sagte er:
»Geht zurück an eure Aufgaben, dann kümmere ich mich um diese Sache mit Borg.«
Schweigend traten Irene und Birgitta auf den Gang. Vor Birgittas Zimmer blieben sie stehen.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das hier ist … unglaublich!«, rief Irene.
Birgitta nickte düster.
»Aber leider wahr. Anfänglich habe ich versucht, die Bilder zu ignorieren. Ich habe vermutlich geglaubt, dass es schon vorbeigehen würde. Aber … das tat es nicht.«
Irene legte ihr rasch eine Hand auf den Arm und sagte:
»Wir gehen Kaffee trinken. Ich brauche nach dieser Sache erst einmal einen Eimer Kaffee.«
Birgitta lächelte.
»Du und deine Universalmedizin Kaffee.«
Tommy war bereits dabei, telefonisch Termine auszumachen. »Erst fahren wir zur Nordstan und sehen nach, ob Mama Vogel dort ist. Die Streifenwagen sind alarmiert und halten nach ihr Ausschau. Eine Streife wird auch in
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