Der zweite Mord
regelmäßigen Abständen den Schuppen bei der Löwander-Klinik kontrollieren, falls sie dorthin kommen sollte. Ich denke, dass wir auch heute Nacht so verfahren können. Dann müssen wir niemanden im Park postieren. Das Wetter ist verdammt beschissen, und laut Wetterbericht soll es auch am Wochenende nicht besser werden.«
Irene schaute aus dem Fenster. Bei diesem Wetter verließ man wirklich nur ungern das Haus. Aber sie konnte, wenn sie wollte, in der warmen Stube sitzen bleiben. Das konnten die Leute, die Tommy und sie im Laufe des Tages treffen wollten, nicht.
»Dann habe ich mich mit einem Sozialarbeiter der Stadtmission für halb vier verabredet, falls wir Mama Vogel nicht schon vorher gefunden haben sollten. Er will bei seinen Kollegen nachfragen, ob jemand weiß, wer Mama Vogel ist und wo wir sie finden können. Ich habe ihm die Nummer von meinem Handy gegeben.«
»Aber erst unterhalten wir uns mit den Kollegen in der Nordstan?«
»Genau.«
Polizeiinspektor Stefansson war gerade zum Gruppenleiter der relativ neu gebauten Wache bei der Nordstan befördert worden. Sowohl Irene als auch Tommy kannten ihn von früher. Er saß hinter einem funkelnagelneuen Schreibtisch, dessen leere Platte ihn zu blenden schien. Schreibarbeiten waren nicht seine Stärke, gingen mit der Beförderung jedoch Hand in Hand. Er sah nachdenklich auf die beiden Kriminaler, ehe er sagte:
»Ich glaube, ich weiß, wer sie ist. Eine kleine verhutzelte Frau, die Vögel füttert … das muss sie sein.«
Irene wunderte sich, dass er anfing zu kichern. Stefansson bemerkte die hochgezogenen Brauen seiner Kollegen und rief sich wieder zur Ordnung.
»Mit ihr haben wir immer wieder zu tun. Mehrmals die Woche ruft jemand aus einem der Lebensmittelgeschäfte in der Nordstan an und schreit in den Hörer: ›Jetzt ist sie schon wieder hier!‹«
»Was macht sie?«, fragte Tommy.
»Sie stiehlt. Aber nur Brot und Sachen, mit denen man Vögel füttern kann. Sie nimmt sich ganz einfach einen Einkaufswagen und lädt ein, was sie haben will. Dann schiebt sie ihn ganz ruhig an den Kassen vorbei. Ohne zu zahlen. Dann gibt es meist Ärger.«
»Streiten sie mit ihr, weil sie nicht bezahlen will?«
»Sie streitet mit ihnen, weil sie bezahlt haben wollen! Es ist schon vorgekommen, dass sie Leuten die Brote an den Kopf geworfen und sie angespuckt hat.«
»Wissen Sie, wie sie richtig heißt?«
»Nein.«
Stefansson schüttelte bedauernd den Kopf.
»Wo findet man sie am wahrscheinlichsten?«
»Da es in Strömen regnet, glaube ich, dass sie sich im Einkaufszentrum herumtreibt, vielleicht in einem der Läden, vielleicht im Parkhaus. Ich kann bei den Streifenpolizisten nachfragen, ob sie heute schon jemand gesehen hat.«
Er fragte bei den beiden Fußstreifen, die im Einkaufszentrum unterwegs waren, über Funk nach, aber beide hatten die Vogeldame schon seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen. Mit einem bedauernden Achselzucken sagte er zu den Kriminalbeamten:
»Da müssen Sie sich wohl selber auf die Suche machen. Jedenfalls sitzt sie nicht in einer unserer Ausnüchterungszellen.«
Nachdem sie fast drei Stunden in Treppenaufgängen und Parkhäusern gesucht hatten, gingen sie zu McDonald’s, um sich einen Big Mac zu genehmigen.
»Wo kann sie bloß sein? Sie ist nicht hier und im Schuppen ist sie auch nicht«, seufzte Irene.
»Wir müssen Kent Olsson von der Stadtmission anrufen.« Tommy zog sein Handy aus der Tasche und fand schließlich in der Tasche seiner Jeans einen verknickten Zettel mit der Telefonnummer des Sozialarbeiters. Es handelte sich ebenfalls um eine Handynummer.
»Hallo. Tommy Persson von der Kripo. Wir haben von dieser Dame hier in der Nordstan keine Spur gefunden. Hatten Sie mehr Glück?«
Er schwieg und Irene sah, wie sein Gesicht aufleuchtete.
»Wirklich? Das klingt viel versprechend. Wir kommen, so schnell wir können.«
Er unterbrach die Verbindung.
»Kent hat eine Frau aufgetrieben, die Mama Vogel offenbar kennt. Er hat ihr versprochen, dass wir sie zu einem Halv Special, einer Bockwurst im Brot mit Kartoffelbrei einladen, wenn sie wartet, bis wir kommen.«
»Endlich einmal ein Lichtblick im Hinblick auf diese Vogeltante!«
Sie hatten das Glück, einen freien Parkplatz am Almänna Vägen zu finden. Obwohl es dort nicht weit bis zum Café der Stadtmission war, waren sie tropfnass, als sie durch die Tür traten. Kent Olsson erwartete sie bereits. Er war relativ klein und noch jünger. Rötliches Haar und ein
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