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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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vielen Stellen Beulen bildeten und dazwischen Täler entstanden. Eines davon war so lang und tief wie das Klaraälvstal, in dem Sofi aufgewachsen war.
    Sie begannen mit dem Professor. Das Gespräch fand nicht im Verhörzimmer statt, sondern im Besprechungsraum.
    »Wir haben heute Morgen Carl Petersson tot in seiner Wohnung gefunden und bitten dich, dies für dich zu behalten. Es wird vorerst auch keine Meldung an die Presse geben.«
    Der Professor nickte verständig. Seine einzige Reaktion auf die Nachricht war, dass er die Augen für einen Moment zusammenkniff.
    »Wir brauchen deine Hilfe, damit wir uns ein Bild von Petersson als Wissenschaftler machen können«, fügte Kjell hinzu.
    »Er war ja mein Amtsvorgänger«, übernahm nun Tivéus. »Ich kannte ihn gar nicht persönlich. Fähiger Forscher, soweit ich das beurteilen kann. Unsere Fachgebiete überschneiden sich jedoch kaum. Ich beschäftige mich mit der Exegese christlicher Texte, vor allem aus Syrien. Petersson hingegen war Paläograph, er befasste sich mit sehr alten Textquellen aus dem zweiten und dritten Jahrtausend vor Christus.«
    Inzwischen hatte Barbro eine Liste mit allen Publikationen von Petersson besorgt. In frühen Jahren hatte er sich mit Papyriologie beschäftigt, später dann mit der Entzifferung und Erforschung semitischer Sprachen, deren Namen nur Experten je gehört hatten.
    Tivéus sprach, als hielte er eine Vorlesung und läse von einem Manuskript ab. In Unterhaltungen waren andere Menschen für ihn anscheinend nur Stichwortgeber. »Er hat sich mit nichtmonumentalen Schriftzeugnissen beschäftigt. Das würde ich als seinen Schwerpunkt über all die Jahre bezeichnen. Ende der Siebziger ist es ihm gelungen, eine Reihe von Forschungslücken zu einigen semitischen Trümmersprachen zu schließen. In den letzten Jahren auf seinem Stuhl hat er sich dann mit nordafrikanischen Sprachen wie Libysch und Nubisch befasst. Ich habe nach seinem Abgang diese Tradition auch fortgesetzt. Die christlichen Texte aus Nubien nehmen einen breiten Raum in unserem Institut ein.« Der Professor lachte kurz auf und sah auf seine Armbanduhr. »Vielleicht nicht gerade heute Nachmittag.«
    Sofi hatte nach dem Telefonat mit seiner Sekretärin nicht damit gerechnet, dass der Professor von einer so schillernden und aufopfernden Mitteilsamkeit wie eine abgefeuerte Signalrakete sein würde. In den letzten Jahren auf seinem Stuhl! Nach seinem Abgang! Sie notierte sich diese Wendungen aus sprachästhetischem Sammeldrang.
    »Trümmersprachen?«, fragte sie. »Was ist denn das?«
    »Sprachen, von denen man nichts weiß außer einigen Sätzen. Meist sind es nur einige Personennamen.«
    »Und was ist vor zwölf Jahren passiert?«, fragte Kjell.
    »Er hat mehrere unbeschriftete Tonscherben aus Ägypten gestohlen, sie zu Hause mit den gelungensten Passagen der ägyptischen Literatur beschriftet und dann als Antiquitäten zu Geld gemacht. Eigentlich eine gute Geschäftsidee, mit der sich viel verdienen lässt. Wenn man sich die Kataloge der großen Auktionshäuser ansieht und die Bestände der Museen in aller Welt, würde ich sagen, dass dies die Hauptquelle für antike Fundstücke ist.« Tivéus lachte.
    »Du meinst also, dass in den Museen wirklich Fälschungen stehen?«, versuchte Sofi zusammenzufassen, auch um Tivéus’ Lachen ein Ende zu bereiten.
    »Ich würde so weit gehen und behaupten, dass sehr vieles Fälschung ist und der Rest Diebstahl, denn die Stücke können Ägypten nicht auf legalem Weg verlassen. Die Museen und Privatbesitzer haben natürlich großes Interesse daran, dass ihre Stücke weiterhin als Originale gelten. In der Folge verwenden die Forscher sie als wissenschaftliche Quellen. Das ist das Problem. Oft wird ihnen der Zugang zu den Stücken verwehrt, und sie können ihre Echtheit nicht prüfen.« Tivéus beugte sich Sofi entgegen und grinste. »Petersson war so frech, seine eigenen Fälschungen in seinen Aufsätzen als Quellen zu benutzen. Er hat das sogar auffällig oft getan, und so ist die Sache auch herausgekommen. Man hätte diese Stücke gar nicht so eingehend untersucht, wenn er sie nicht so penetrant ins Licht gerückt hätte.«
    »Und woher weißt du dann, dass vieles unecht ist?«
    »Es gibt Experten, die so etwas nach stilistischen oder anderen Kriterien beurteilen können.«
    »Und wie ist das in Peterssons Fall aufgeflogen?«, wollte Kjell wissen.
    »Er war so leichtsinnig, einige Schreibfehler im Original bei seinen Fälschungen zu

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