Der zweite Tod
korrigieren. Seine Texte waren völlig fehlerfrei. Wir können bei den überlieferten Zeugnissen meist genau sagen, von welcher Vorlage eine Kopie stammt. Beim Abschreiben unterlaufen dem Kopisten immer zahlreiche Fehler. An einen kann ich mich erinnern. Da ist eine Hieroglyphe beim Abschreiben aus Versehen in die nächste Spalte gerutscht. Petersson konnte das nicht ertragen, und das ist ihm zum Verhängnis geworden.«
»Aber seine Scherben hätten doch auch fehlerfreie Kopien des Originals sein können«, wandte Sofi ein.
Tivéus lächelte nachsichtig. Sofi hatte den Eindruck, dass er es mochte, dass sie dauernd nachfragte und öl in sein Feuer goss.
»Seine Scherben kamen als Scherben aus dem elften Jahrhundert vor Christus daher, die Texte sind jedoch tausend Jahre früher verfasst worden. Es ist einerseits nicht möglich, den Text so lange sauber zu halten, andererseits setzte das eine eigene Überlieferungslinie voraus, von der sonst nichts bekannt ist. Absolut unwahrscheinlich.«
Oder ein kleiner Schreiber hat genau gelesen und die Fehler korrigiert, überlegte Sofi. Aber sie beließ es dabei. »Und wie ist man auf Petersson als Urheber gekommen?«, fragte sie stattdessen.
»Es gab immer schon Gerüchte, dass er das Leben in vollen Zügen genoss, also in unlautere Dinge verstrickt war. Dann konnte man ihm nachweisen, dass die Tonscherben von einem der Orte stammten, an denen er gegraben hat. Aber ganz sicher konnte man da nicht sein. Es hat aber gereicht, um ihn in Ägypten und Europa in Verruf zu bringen. Der Druck in Uppsala wurde dann zu groß, und er ist zurückgetreten. Die wissenschaftlichen Magazine haben seine Aufsätze nicht mehr angenommen.«
Kjell bedankte sich und ließ den Professor nach Uppsala zurückbringen.
»Hast du den letzten Satz gehört?«, fragte er Sofi.
»Dass er nicht mehr veröffentlichen konnte?«
»Damit war er als Wissenschaftler erledigt.«
»Aber das ist doch schon lange her.«
»Und wenn er an seinem Comeback arbeitete? Nur mit einem großen Wurf, der über jeden Zweifel erhaben ist, einer einzigartigen Entdeckung, könnte Petersson sich wieder Gehör verschaffen.«
»Du denkst an den Diskos.«
»Der hätte das Format dazu, mit so einer Sensation ist man wieder im Spiel. Weiter kann man gar nicht ausholen als mit dem Diskos.«
Der Nachmittag war angebrochen. Das Gespräch mit dem Professor hatte eine ganze Stunde gedauert. In dieser Zeit war viel passiert. Barbro hatte wie die anderen schon einen ganzen Arbeitstag hinter sich und gestern einen langen Abend gehabt. Ihr Rücken war schon ganz krumm.
»Robert Sahlin aus dem dritten Stock hat Schweden vor sieben Tagen verlassen«, begann sie. »Er hat letzten Mittwoch telefonisch ein Taxi bestellt und sich damit zum Flughafen nach Arlanda bringen lassen. Und er ist tatsächlich abgeflogen. Nach Tel Aviv. Das war das letzte Telefonat, das von seinem Telefon aus geführt wurde. Bis heute Nacht.«
»Hat Per das Telefon schon überprüft?«
»Nur Sahlins Fingerabdrücke waren darauf. In der ganzen Wohnung gibt es nur Fingerabdrücke von ihm.«
Robert Sahlin war siebenundvierzig Jahre alt und Lehrer an einer Mittelschule in Sundbyberg. Seit Beginn des Schuljahres war er krankgeschrieben. Barbro war gerade dabei herauszufinden, woran er litt. Die Spurensicherung hatte auch das Schloss aus Sahlins Wohnungstür ausgebaut und untersucht.
»Es ist ein sehr teures Fabrikat. Per behauptet, dass man es deshalb leichter knacken kann und dabei weniger Spuren hinterlässt als bei einem Billigschloss. Das Metall ist härter und der Mechanismus präziser.«
»Wie leicht kann man es knacken?«
»Er hat es mir gezeigt. Es hat zwei Sekunden gedauert. Unter dem Mikroskop erkennt man minimale Kratzer auf den Stiften, aber das kann auch vom Schlüssel kommen. Die üblichen Spuren hat Per nicht gefunden. Technisch spricht also nichts für einen Einbruch.«
»Hast du keine guten Nachrichten?«
»Doch!« Barbro lachte. »Peterssons Putzfrau steht vor der Tür. Sie will putzen!«
»Sie darf weder putzen noch nach Hause gehen.«
»Sie ist schon unterwegs. Von Per soll ich dir ausrichten, dass es sich bei der Wohnung um einen Zweipersonenhaushalt handelt. Petersson hat dort nicht allein gelebt. Per hat zahlreiche Dinge gefunden. Damenwäsche, Binden, ein bisschen Kosmetik. Alles in allem reicht es nicht für das Leben einer Frau, aber es war weit mehr als eine Reiseausstattung.«
»Habt ihr einen Namen?«
»Eine zweite
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