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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Handschrift, mehr nicht. Sie stammt wohl von einer Frau und findet sich auf vielen Dokumenten, aber meist nur in Form kürzerer Kommentare.«
    »Vielleicht hat sie für ihn gearbeitet?«
    Barbro verzog das Gesicht. »Ja, sie war eine Sekretärin, die mit Unterwäsche zur Arbeit erschien und sie ohne wieder verließ.«
    »Wie sieht es denn mit der Obduktion aus?«
    »Wir werden uns gedulden müssen. Jetzt vor der Gerichtspause an Weihnachten kommen sie in Solna kaum hinterher. Bisher weiß Hans nur, dass Petersson an einer Herzerkrankung litt. Das hat er anscheinend der Leiche sofort angesehen. Wie auch immer er das gemacht hat.« Barbro zuckte mit den Schultern.
    Nach zwanzig Minuten brachte Viktoria Hammarfors die Putzfrau Teresa Hernández. Kjell schätzte sie auf fünfzig Jahre, in denen sie sich gut gehalten hatte. Wahrscheinlich steckte Olivenöl dahinter. Sie stammte aus Sevilla. Kjell verschwieg ihr, dass er in seiner Jugend dort einen turbulenten Sommer verbracht hatte, so einen wie Sofi in Kairo vielleicht, nur fünfzehn Jahre früher und auf jeden Fall wilder.
    Teresas Stockholmer Schwedisch und ihr andalusischer Akzent verschmolzen in ihrem Mund zu astreinem Gotländisch. Sie trat nach Kjells Geschmack ein wenig zu heimatbewusst auf. Eigentlich trat Teresa gar nicht auf, sondern setzte sich mit durchgedrücktem Rücken ganz vorne auf die Sitzfläche des Besucherstuhls vor seinem Schreibtisch. Allein dadurch hätte so gut wie jeder mit seinem Tipp auf ihre Herkunft nicht schlecht gelegen. In der Ferne demonstrierten die Menschen gern ihre Wurzeln, das war ihm schon häufig aufgefallen. Letztes Jahr hatte hier ein argentinischer Tangogitarrist gesessen, der seine erste Gitarrenstunde erst in Hägersten genommen hatte. Er kannte auch eine junge Türkin, die erst in der neunten Klasse an der Mariaskolan in Södermalm während einer Gemeinschaftskundestunde die Erleuchtung überkam, dass sie dringend ein Kopftuch brauchte.
    Teresa lebte erst seit einem Jahr in Schweden, ihr Mann Jesus arbeitete jedoch seit vier Jahren in einer Stockholmer Autozulieferfirma. Sie putzte zweimal in der Woche bei Petersson. Teresa hatte nur Gutes über ihren Putzherrn zu berichten. Wie sie ihm mit einer derartigen Wahrhaftigkeit unverfroren und stolz ins Gesicht log, ließ augenblicklich eine wehmütige Wärme in Kjells Herzen aufglimmen. Sie musste es mit der Muttermilch aufgesogen haben. Kein Zweifel, dass sie es selbst glaubte, während sie es sagte.
    »Wo ist Maria?«, fragte Teresa.
    »Maria? Wer soll das sein?«
    »Maria, seine Freundin!«
    »Stammt die Wäsche in der Wohnung von ihr?«
    »Das weiß ich nicht«, log Teresa weiter. »Ich putze nur und bin nicht neugierig.«
    Während Kjells Aufenthalt in Sevilla hatte seine Hauswirtin in der Calle de los Reyes die totale Kontrolle über seine Unterwäsche und den Inhalt aller an ihn adressierten Briefe gehabt. Der hierzulande verbreitete Wunsch, sich wenigstens eine Stunde am Tag allein in sein Zimmer zurückzuziehen, war dort als psychische Abnormität mit verwundertem Kopfschütteln quittiert worden. Dass eine Putzfrau aus Sevilla sich nicht in die niedersten Winkel vorarbeitete, war völlig ausgeschlossen. Kjell gab ihr dies zu bedenken und strich sich besorgt ums Kinn. Mit dieser Geste wollte er ihr weismachen, dass sie geradewegs in ihr Unglück lief. Mit diesem Ass im Ärmel hatte Teresa nicht gerechnet. Sie gab alles zu und tat, als hätte sie nie etwas anderes behauptet. Natürlich hatte sie sorgfältig geputzt.
    »Kennst du ihren Nachnamen?«
    Teresa zuckte mit den Schultern.
    »Weißt du sonst noch etwas über sie? Wie alt ist sie, wo wohnt sie?«
    »Sie wohnt bei Petersson!«
    Eine Maria war dort jedoch nicht gemeldet.
    Teresa deutete auf Sofi. »Sie ist so alt wie sie.«
    »Wirklich, so jung? War das seine Freundin?«
    »Ja, sie war seine Freundin und hat gearbeitet. Wie eine Sekretärin. Aber sie war mehr seine Freundin.«
    Mit anderen Worten, dachte Kjell, Teresa kannte alle Spuren aus dem Schlafzimmer und wusste über alle Details Bescheid, würde sie aber der Polizei zuletzt verraten.
    »Ich weiß nur, dass ihr Vater vor einigen Wochen gestorben ist. Es war Krebs! Das hat sie erzählt. Sonst hat sie überhaupt nichts erzählt.«
    »Seit wann arbeitest du bei ihm?«
    »Noch nicht lange, drei Monate.«
    »Wie bist du zu ihm gekommen?«
    »Ich arbeite noch bei Osborne.«
    »Dem Sherry?«
    Teresa schüttelte lachend den Kopf. Anscheinend tat sich ihr die Verbindung

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