Der zweite Tod
Sofi gab vor, besonders an der Wissenschaftlichen Arbeit interessiert zu sein, aber der Name Carl Petersson beraubte Kajsas Gesten ihrer Neutralität, und das sogar recht auffällig. Das persönliche Verhältnis dieser beiden Menschen musste noch viel interessanter sein als ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit.
Nach zwei Tassen Pfefferminztee wandte sich Sofi daher an Lasse: »Ich benötige Kajsas wissenschaftliches Urteil zu einem Dokument, das der höchsten Geheimhaltungsstufe der Reichskriminalpolizei unterliegt. Ich muss dich also bitten, uns unter vier Augen miteinander sprechen zu lassen. Sie darf dir auch danach nichts über dieses Gespräch berichten.«
Lasses Gesichtsausdruck verriet, wie stolz er auf seine Frau war. Kajsa wirkte deutlich erleichtert, nachdem er das Zimmer verlassen hatte.
»Wir haben ein ganz spezielles Problem bei unserer Ermittlung«, begann Sofi. »Wir müssen entscheiden, ob wir das Motiv für seine Ermordung im persönlichen oder im wissenschaftlichen Bereich suchen müssen. Ich brauche von dir nur eine Hilfestellung, damit wir uns Petersson besser vorstellen können. Du musst nicht befürchten, dass etwas davon anderen zu Ohren kommen wird.«
Damit meinte sie die beiden Ohren von Lasse, und Kajsa verstand das auch auf Anhieb. Sie nickte.
Aus Verlegenheit schnappte sich Sofi noch ein Plätzchen vom Teller. »Wie war euer persönliches Verhältnis?«, fragte sie und steckte sich das Plätzchen schnell in den Mund.
Kajsa beugte sich vor zu Sofi. »Wenn du schon so fragst. Wir waren zusammen.«
»Bis zum Schluss?«, fragte Sofi kauend.
»Carl und Lasse überschnitten sich um sieben Monate. Lasse ist nicht dumm, weißt du.«
Sofi schluckte das Plätzchen hinunter und sah Kajsa voller Bewunderung an.
»Es war nicht möglich, sich von Carl zu lösen. Damit wäre meine Zeit als Assistentin auch zu Ende gewesen. Nur weil er zurücktrat, bin ich von ihm losgekommen.«
»Aber dann hättest du doch an der Universität bleiben können.«
Kajsa schüttelte vertraulich den Kopf wie beim Schmierestehen. »Mein Zeitvertrag lief aus. Carl kam nicht mehr dazu, ihn zu verlängern.«
»Und diese Sache mit den Fälschungen? Hattest du damit zu tun?«
»Lieber Himmel! Das war lange vor meiner Zeit. Es ist nur in dieser Zeit herausgekommen.«
»Und? War er es nun, der die Sachen gefälscht hat?«
»Nein«, sagte sie langgezogen. »Die Tonscherben stammen zwar aus dem Gebiet, wo er gegraben hat. Das liegt in Oberägypten.« Sie lachte auf. »Aber die meisten stammen doch von dort! Und es war ja nicht so, dass Carl dort mutterseelenallein mit einem Spaten herumspaziert ist. Über fünfzig Personen waren in der Gruppe, die einheimischen Hilfsarbeiter gar nicht mitgezählt. Weil er die Grabungskampagne geleitet hatte, blieb es an ihm hängen. Die Fälschungen hätte jeder machen können.«
Sofis Kugelschreiber flog über das Papier. Sie hielt alles in Stichpunkten fest. »Aber dann kam ja wohl hinzu, dass er sehr viel über diese Scherben geschrieben hat.«
»Das musste er ja wohl! Er hat über alles geschrieben, was aus diesem Areal kommt. Ist doch normal, dass er besonders die Quellen berücksichtigte, die aus seinem Grabungsareal zu stammen schienen. Und dort ist das Plündern von Funden gang und gäbe.«
Sofi kratzte sich mit dem Stift an der Schläfe. Kajsa sprach, als wäre jede andere Möglichkeit abwegig. Sie war ganz schön auf seiner Seite. »Aber auch das Fälschen?«
»Na sicher.«
Sofi sah ein, dass sie so nicht weiterkam. Was Kajsa da sagte, klang auch sehr glaubhaft. Sie ärgerte sich, dass sie am Anfang immer alles so überzeugend fand. Wenn die Leute ihr etwas weismachen wollten, dann konnten sie das. Es war besser, später in Ruhe darüber nachzudenken. »Warum warst du mit Carl zusammen? Und wie war das?«
Kajsa lachte auf. »Für Carl war die Welt seine Welt. Wenn man in seiner Nähe lebte, konnte man nicht anders, als ein Bestandteil seiner Welt zu sein. Es war spannend, Carl hatte so viel zu bieten. Er war in allem herausragend. Wenn er sein Arbeitszimmer verließ, konnte er sich einen Smoking anziehen und der perfekte Gesellschafter sein. All diese Stärken sind auch der Grund, weshalb er auf allen Hochzeiten tanzte.«
»War er als Wissenschaftler seriös?«
»Seine Kenntnisse waren enorm. Ich kann nicht sagen, dass er bei seiner wissenschaftlichen Arbeit je gemogelt hätte. Er verfügte eben auch über ein sensationelles Gespür dafür, mit welchen Themen man
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