Der zweite Tod
Linda Cederström«, erklärte Maja professionell.
»Ich bin deswegen hier.«
»Kennst du sie?«
»Ich habe sie als Kind gekannt. Als sie ein Kind war, meine ich.«
Sie war doch hergekommen, um die Bilder ganz allein zu betrachten. Aber Maja, die Betreiberin der Bar, ließ Ida keine Ruhe und versprach, nichts weiterzuerzählen. Aber solange Maja dauernd zu ihr an den Tisch kam, musste sie keine ungeschickten Versuche von den Männern fürchten, die sie anblickten, seit sie das Lokal betreten hatte. Also begann Ida damit, wie die sechsjährige Linda auf ihrem Schoß gesessen hatte. Sie waren gerade aus dem Tierpark gekommen. Kjells Frau war auf Reisen, und er musste das ganze Wochenende an einem Großeinsatz teilnehmen. Er hatte Linda am Freitagnachmittag zu ihr, seiner Geliebten, gebracht.
»Es wäre gut, wenn die Evolution männlichen Gehirnen nachträglich einen zusätzlichen Filter für solche Lagen zur Verfügung stellen könnte«, bemerkte Maja.
Ida lachte. »Dass sie das Kind, das ihnen die Ehefrau überantwortet hat, der heimlichen Geliebten zum Aufpassen bringen?«
Maja nickte.
»Das machen alle Männer so«, sagte Ida. »Das nennt man rationales Denken.«
Damals waren Lindas Haare noch kreuz und quer auf ihrem Kopf gelegen. Erfolglos hatte Ida versucht, sie zu kämmen. Sie war gespannt, wie sie wohl jetzt aussah.
»Linda blieb bis zum Sonntagabend. Nach dem Zoobesuch malte sie mit ihren drei ausgefransten Filzstiften alle Tiere und dazu sich selbst. Sie stand vor Papa, der Madeleine und Ida, also mich, an den Händen hielt.«
Maja lachte.
Ida erzählte, wie gelungen sie Lindas erste Bilder empfunden und die Freude und Ausdauer bemerkt hatte, mit der sie zeichnete.
»Da fielen mir die alten Farbtuben ein, die irgendwo herumliegen mussten. Wir fanden einen vergammelten Pinsel in der Küchenschublade, mit dem man Schokoladenglasur auf den Kuchen streichen konnte. Damit malte Linda den ganzen Abend und wollte nicht ins Bett.«
»Hast du bemerkt, wie talentiert sie ist?«
Ida schüttelte den Kopf. »Das war schlecht möglich, da ich es selbst nicht bin. Das hat sich bereits beim Kuchenglasieren ergeben.«
Am nächsten Morgen waren Ida und Linda gemeinsam in die Stadt marschiert. Ida besaß keine Erfahrung mit Kindern und wurde davon überrascht, dass Linda nicht auf Preisschilder achtete. Im Geschäft stürzte sich Linda mit einem Hechtsprung auf einen riesigen Kasten mit Buntstiften und verliebte sich sogleich in ihn. Der Kasten erwiderte diese Liebe. Es sollte eine aufreibende Beziehung für beide werden. Der Kasten enthielt mehr Stifte als ein Klavier Tasten. Ida kaufte ihn, obwohl er im Preis einem Klavier sehr nahe kam, und Linda trug ihn wie ein Surfbrett unter dem Arm nach Hause.
Ida hatte vom Zustand von Kjells Ehe gewusst. Er und Madeleine verstanden sich zwar gut, aber das war auch schon alles. So etwas konnte sehr wenig, aber auch sehr viel sein. Mit Ida verband ihn eine leidenschaftliche und seelisch aufwühlende Affäre, die sich über viele Wochen erstreckte. Ida wusste damals, dass Kjell tatsächlich um eine Entscheidung rang, ohne es jemals zur Sprache zu bringen.
An jenem Sonntagabend, dem Ende des Wochenendes mit Linda, gab sie Linda an ihren Vater zurück und sagte beiden adieu.
»Ich musste mich zwei Monate lang von Spaghetti mit zerlassener Butter ernähren.«
In memoriam wollte Ida erst Nudeln mit zerlassener Butter bestellen, aber die Welt drehte sich ja weiter. Sie war inzwischen schließlich Aushilfsverkäuferin und entschied sich daher für die Nudeln mit Lachs. Sie aß mit großem Appetit. Beim Abräumen des Tellers berührte Maja sie leicht am Arm. Sie empfand das nicht als unangenehm. Manchmal machten das Bedienungen, um Trinkgeld zu bekommen, aber das hier war anders. Die Begegnung mit Kjell hatte vieles in ihr geweckt. Seitdem fühlte sie sich heiterer als sonst. Seit gestern war kaum eine Minute vergangen, in der sie nicht an ihn gedacht hatte. Durch Maja musste sie wieder an die E-Mail denken. Vielleicht würde sie nie mehr mit einem Menschen zusammen sein können. Das sorgte sie mehr als die Angst vor dem Tod. Das war nicht nur an sich erstaunlich, sondern bei Ida vor allem auch deshalb, weil sie ja bisher auch nur selten mit jemandem zusammen gewesen war.
Sofi war in überhöhtem Tempo von Norrtälje nach Uppsala zurückgefahren und hatte auf der Toilette einer Tankstelle versucht, in ihrem Gesicht etwas zustande zu bringen und sich die Haare zu
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