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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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wohnte in einem freistehenden Haus. Niemand öffnete. Barbro ging um das Gebäude herum und spähte durch die Fenster. Das Haus hatte eine riesige Grundfläche. Das erinnerte sie an Carl Peterssons Wohnung. Auch hier waren die Zimmer aneinandergereiht wie an einer Kette. Der zweite Stock war kleiner, einen Teil der Fläche bildete eine geräumige Terrasse.
    Intuitiv wusste sie, dass sie hier richtig war. Die Schreibung des Namens und die Tatsache, dass sie hier niemanden vorfand, fügten sich gut, auch wenn Kjell gerne betonte, dass sich nichts so gut füge wie das Irrsal. Am Haus waren die Rolladen heruntergelassen, und der Briefkasten quoll über. Barbros Intuition wuchs und wuchs.
    Sie klingelte beim Nachbarhaus. Eine Frau öffnete und bat Barbro nach wenigen Worten herein. Sie reichte Barbro nicht einmal bis zur Brust.
    »Ich kenne Marichen schon seit acht Jahren«, erzählte Frau Vennergren. »Ihre Mutter ist vor fünf Jahren gestorben und vor kurzem auch der Vater.« Frau Vennergren beschrieb ihn als netten und zurückhaltenden Mann. Er erkrankte schon kurz nach dem Tod seiner Frau an Lymphdrüsenkrebs, der sich über Jahre hingezogen hatte. Gustav Svahn war Betriebswirt bei Electrolux gewesen, bevor er vor drei Jahren krankgeschrieben worden war.
    Barbro zeigte Frau Vennergren das Phantombild.
    »Das ist sie.«
    »Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
    »Auf der Beerdigung. Vor sieben Wochen. Sie war wohl auch ein wenig froh. Das kann man ja verstehen. Im Grunde hat sie ihr halbes Leben mit einem todkranken Elternteil verbracht. Die finanzielle Belastung – das kannst du dir gar nicht vorstellen! Sie haben das Haus, das ist noch lange nicht abbezahlt. Es ist auch viel zu groß für die beiden. Sie hätten es viel früher verkaufen sollen. Gustav lag doch die letzten Jahre im Krankenhaus.«
    »Hat Mari denn hier gewohnt?«
    »Seit der Beerdigung habe ich sie kaum noch gesehen. Damals hat sie mir verraten, dass die Bank dabei ist, das Haus zu verkaufen. Aber eigentlich wohnt sie noch hier.«
    »Was hat Mari denn gemacht? Wo hat sie gearbeitet?«
    »Sie hat studiert. Aber ich habe vergessen, was es war. Biologie glaube ich, oder Psychologie. Nein, es hatte mit Knochen zu tun.«
    »Hier in Stockholm?«
    »Ja. Sie konnte ja nicht anderswo studieren. Wegen Gustav. Ein Wunder, dass sie das Studium geschafft hat.«
     
    Zwei Stunden später drang die Polizei in das Haus ein. Es wirkte innen noch verlassener als von außen. Alle Zimmer waren aufgeräumt und sauber, und nur eine dünne Staubschicht bedeckte die Möbel. Die Kriminaltechniker schlössen daraus, dass sich seit dem letzten Hausputz niemand für längere Zeit hier aufgehalten hatte. Barbro öffnete den Kühlschrank. Innen blieb es dunkel.
    Die Räume im Erdgeschoss ordnete sie dem Vater zu, die beiden Zimmer in der ersten Etage seiner Tochter. Oben befand sich auch ein eigenes Bad, das ohne Zweifel wie die beiden anderen Zimmer von einer Frau benutzt wurde. Per holte sich seine DNA-Proben aus einer Haarbürste.
    Barbro begutachtete die beiden Zimmer. Das Bett war bezogen und auch benutzt. Aus dem Bücherregal konnte man Mari Svahns seelische und äußerliche Entwicklung in den letzten zehn Jahren ablesen, beginnend bei den Pferderomanen der frühen Mari bis hin zu wissenschaftlicher Literatur der späten Jahre. Die Titel passten zu der Vermutung der Nachbarin, dass Mari Biologie oder etwas Verwandtes studiert hatte. In einem kleinen, nur hüfthohen Regal neben dem Schreibtisch fand Barbro Ordner. Darin befanden sich die Aufzeichnungen aus ihrem Studium. Interessant war dabei vor allem, dass die Handschrift von Mari nicht die zweite Handschrift sein konnte, die man in Peterssons Wohnung gefunden hatte.
    Als Barbro das Haus verließ, waren Per und sein Kollege Lasse bereits zurückgefahren. Sie kramte eine Weile im Kofferraum und fand schließlich elektronische Siegel für Maris Zimmer und die Haustür.
     

13
    Die pathologische Untersuchung von Carl Petersson bestätigte, dass der Brieföffner aus der Spülmaschine schon einmal in seinem Rücken gesteckt hatte. Das Drama bestand also aus mehreren Akten. Hans konnte das hinter dem Befund stehende Szenario aber noch nicht rekonstruieren.
    »Die Klinge wurde erst hineingestochen, jedoch nur vier Zentimeter tief«, erklärte er Kjell. »Der Schaden war immens. Der Stoß wurde dadurch gebremst, dass die Spitze auf Knorpelsubstanz der Wirbelsäule traf und sich zwischen zwei Wirbeln verkeilte. An sich schon

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