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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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heißes Wasser in eine hohe Tasse und ließ einen Teebeutel hineinfallen. Es gab nur das Sofa, auf dem sie beide saßen. Beim Sitzen mussten sie sich einander zudrehen, um ein Gespräch führen zu können.
    Kjell erklärte Alva, dass Mari vermisst wurde. Dass sie verdächtig war, einen Mord verübt zu haben, verschwieg er. Sie hatte ihre Ellenbogen auf die Knie gestützt.
    Ihre Art war vorsichtig und zurückhaltend. Kjell gab sich Mühe, behutsam mit Alva umzugehen. Mit ihr zu sprechen, war, wie eine dünnwandige Porzellantasse abzutrocknen.
    Doch dann erstaunte sie ihn.
    »Hat es mit diesem Carl zu tun?«
    »Carl ist tot, und wir wissen nicht, wo sie ist. Wir haben den Verdacht, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte.«
    Alva sah ihn mit aufgerissenem Mund an.
    »Wann hattet ihr zuletzt Kontakt?«, fragte er.
    »Weiß ich nicht, weiß ich nicht.« Sie führte ihre rechte Hand zum Mund und tippte mit den Fingerspitzen ihre Lippen an. In diesem Moment sah sie sinnlich aus. »Vor einem Monat? Sie hatte nie Zeit.«
    »Erzähl doch einfach mal. Was hatte sie mit dem Mann zu tun?«
    »Sie haben miteinander geschlafen?«, sagte Alva unsicher. Es klang wie ein Geständnis, die Essenz von allem. »Sie hat Geld dafür bekommen?«
    »Wir dachten, sie arbeitet für ihn.«
    »Hat sie ja auch.«
    »Kannst du es der Reihe nach erzählen?«
    Alva richtete sich auf. »Sie hat ihn vor zwei Jahren kennengelernt. Geredet haben wir darüber nie. Der Vater und das Geld, das weißt du sicher.« Alva atmete durch. »Einmal habe ich sie vor der Bibliothek gesehen, das ist zwei Jahre her. Sie ging Arm in Arm mit ihm. Und seit dieser Zeit hatte sie keine Geldsorgen mehr.«
    Alva zuckte mit den Schultern.

19
    Das Siegel war gebrochen. Als Barbro das Haus am frühen Abend betrat, war sie zwar nicht mehr dem Wind ausgesetzt, aber innen war es zu kalt, um die Jacke auszuziehen. Die Kälte stieg von den schwarzen Granitplatten auf, mit denen die Böden in Mari Svahns Haus ausgelegt waren. Und als sie in dem kleinen Flur den Blick zu Boden richtete, entdeckte sie die Fußspuren. Sie stammten von Winterstiefeln. Ihre eigenen waren es nicht. Die Spuren hatten die Farbe von graubraunem Schmutzwasser. Jemand war von draußen hereingekommen, ohne sich die Schuhe abzutreten. Die Spuren waren blass und kaum zu entdecken. Von den Kriminaltechnikern konnten sie auch nicht stammen, denn die trugen bei der Arbeit immer profillose Gummigaloschen über ihren Schuhen.
    Sie eilte zum Wagen zurück und nahm den Fotoapparat aus dem Handschuhfach. Sie machte dreißig Fotos und stieg dann ins Obergeschoss hinauf. Die Spuren gab es nur unten im Flur und in der Halle. Sie suchte in Maris Schrank nach Schuhen. Ein Blick genügte, um zu sehen, dass Maris Schuhgröße um einige Nummern kleiner war als die der Fußabdrücke.
    In der Jacobs Kyrka leuchtete warmes gelbes Licht, das die Folgen einer katastrophalen Renovierung abmilderte. Der Organist beendete gerade die dritte Fuge. Jetzt in der Vorweihnachtszeit hatten die Menschen Wichtigeres zu tun, als sich Orgelkonzerte anzuhören. Idas Vater war Organist. Angetrunken hatte sie einmal behauptet, sogar im Orgelstuhl gezeugt worden zu sein. Das hatte wirklich sehr glaubhaft geklungen, es würde so gut wie alles an ihr erklären. Diese besondere Form der Réjouissance ging auf Bach selbst zurück, unter dem diese ganz besondere Kunst des Fügens auch ihren Höhepunkt erreicht hatte.
    Er entdeckte sie in einer der mittleren Bänke. Sie drehte den Kopf nicht zu ihm, als er sich neben ihr niederließ, aber er konnte sie einmal laut ausatmen hören. Sie blickte auf ihre Hände hinab, die auf ihren Schenkeln ruhten. Ein Lächeln trat auf ihr Gesicht. Sie ließ ihre Unterlippe über die Schneidezähne fahren. Ida sah müde aus und erschöpft.
     
    John Osborne öffnete eine Flasche Rotwein und schenkte sich ein Glas ein. Er blieb in der Küchentür stehen und betrachtete die Leinwand aus dieser Entfernung. Er verspürte den Drang, hinzugehen und zu verändern. Doch er befahl sich selbst zu widerstehen. Er beschloss, vor morgen nichts mehr anzurühren und erst dann ein Urteil zu fällen. Drei Wochen wären besser gewesen, aber der Termin war schon übernächsten Freitag.
    Es klingelte. Gutes Timing, dachte er, ging mit dem Weinglas in der Hand zur Tür und öffnete. Dort stand ein Mädchen, es war knallrot im Gesicht.
    »Ich bin Linda«, sagte es abwartend. »Linda Cederström.«
    Nach einigen Sekunden dämmerte es ihm.
    »Du

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