Der zweite Tod
anbieten sollte. Er ließ etwas Zeit vergehen, bevor er hinüberschlenderte. Sie konnte ihre Stellung selbst wählen und entschied sich dafür, das Gesicht in ihre Armbeuge zu betten. Er holte Block und Kohle, setzte sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand.
Er begann mit einigen Zwei-Minuten-Skizzen, riss die Blätter nach jeder Skizze vom Block ab und ließ sie in ihre Richtung über den Holzboden gleiten. Sie rührte sich nicht, schielte aber aus ihrer Position auf die Skizze und hob die Augenbrauen.
»Such dir eine neue Stellung«, bat er.
Sie setzte sich auf, wandte sich ihm zu, zog die Knie zur Brust, legte einen Arm darauf, der frei in die Luft ragte. Ihre Füße stellte sie auf die Vorderkante der Sitzfläche. Dann blickte sie etwas schräg zur Seite.
Sie hatte ihm mit jedem ihrer Glieder eine anspruchsvolle Aufgabe vorgegeben.
»Halt das Bein gerade, dann wirkt das Gesicht besser.«
Er ließ sich Zeit, besonders für den Faltenwurf. Eine ganze Viertelstunde zeichnete er und ließ das Blatt schließlich wieder in ihre Richtung segeln. Er sah sie erwartungsvoll an. Sie hob das Blatt vom Boden auf und betrachtete es. Das dauerte.
»In dir liegt viel«, scherzte er. »Lust auf Wein?«
Ohne aufzublicken, schnaubte sie. Ein klares Nein. In der Küche füllte er sein Glas. Als er zurückkehrte, war sie noch in die Skizze vertieft.
»Kann ich die haben?«
Er nickte gnädig. Er würde sie gleich zeichnen lassen. Aber erst wollte er sie ein bisschen necken.
»Lass mich trinken.« Ohne aufzustehen streckte sie die Hand aus.
Er mochte Linda. Man konnte bei ihr nie voraussehen, ob sie als Nächstes kindlich oder erwachsen sein würde. Sie war so, wie er in ihrem Alter gerne gewesen wäre. Er trat zu ihr und reichte ihr das Glas. Sie nahm zwei unschuldige Schlucke daraus und gab es ihm zurück.
»Und?«, fragte er.
»Was und?«
»Bereit, alles auszuziehen?«
Sie wurde rot. »Spinnst du?«
Ida hatte nie Schwierigkeiten gehabt, Entscheidungen zu treffen. Sie hatte sich entschieden, ihn gleich heute mitzunehmen. Er folgte ihr, war sich aber unsicher, was noch folgen würde. Als sie sich im Flur den Mantel auszog, richtete sie ihren Blick auf ihn und zog die Mundwinkel hoch. Sie war schon die ganze Zeit ausgelassen und lachte viel. Dadurch kam er sich erst älter vor, bis er sich anstecken ließ.
Es gab »Idas Versuchung«. Dazu hatte sie drei Kisten Malzbier im Haus. Aus Erfahrung wusste er, dass man mit Ida und einigen Flaschen Malzbier sehr glücklich sein konnte.
»Komm, wir trinken alles aus, ja?«, lachte sie und eilte geschäftig zwischen Spüle und Herd hin und her.
Er stand hinter ihr und legte die Hände auf ihre Hüften. »Dann pinkeln wir bestimmt ins Bett«, entfuhr es ihm.
Ida drehte sich erstaunt um. »Ich hatte gar nicht vor, heute noch mit dir bis zur Kadenz zu kommen.«
Er wurde verlegen. Sie grinste.
»Mach das Pestoglas auf«, befahl sie.
Jetzt war es mit ihrer Fassung vorbei. Linda wirkte panisch und unbedingt interessiert. Intuitiv wusste er, dass sie sich überhaupt noch nie vor jemand entblößt hatte und auch noch nie berührt worden war. Deshalb wollte er das unbedingt tun. Er sah sie arglos an und ließ sie mit sich kämpfen.
»Gib mir Wein«, befahl sie.
Er lachte und reichte ihr das Glas. Sie nahm nur einen Schluck. Ob das etwas nutzte? Er nahm ihr die Zeichnung ab, die sie als letzten Schild vor ihre Brust hielt.
»Leg dich so hin wie am Anfang«, sagte er ruhig.
Sie tat es. Er öffnete den obersten Knopf ihrer Bluse. Sie sah ihm dabei in die Augen. Er löste noch einen Knopf und dann alle Knöpfe. Sie schnaufte vor Aufregung, und ihr Brustkorb hob und senkte sich. Mit beiden Händen schob er die Bluse nach hinten und zog sie ihr über die Schultern. So sah sie noch einmal um zwei Jahre jünger aus. Ihm wurde mulmig. Ihr Blick folgte nicht seinen Händen, sondern suchte Schutz in seinen Augen. Er öffnete ihren BH.
Sie sah ihm die ganze Zeit in die Augen.
»Hat das schon einmal jemand bei dir gemacht?«
»Nein«, flüsterte sie.
»Don’t panic.«
Ida und Kjell aßen Nudeln und tranken zimmerwarmes Malzbier dazu. Er hatte schon schlechter bei ihr gegessen. Die Bücher auf dem Tisch hatte sie mit einem Schwung zur Seite geschoben. Bei Ida konnte man nur am Tisch sitzen oder im Bett liegen. Es gab keine Kompromisse. Das wurde sowohl von Idas Mobiliar als auch von ihrem Wesen vorgegeben.
Sie bot an, bei John zu klingeln und eine
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