Der zweite Tod
Kairener Händler verkauften, sondern direkt an ihn. Jedenfalls hat er es geschafft, sie davon zu überzeugen. Im Überzeugen war er übrigens auch gut. Aber er hatte auch gute Kontakte in den Irak und nach Syrien. Wie die zustande kamen, weiß ich nicht.«
»Aber dabei geht es doch um Originale. Petersson trat ja wegen einer Fälschung zurück.«
»Ja. Tonscherben gibt es genug. Die waren original, nur die Beschriftung nicht, aber das musst du erst einmal herausfinden. Erst durch die Beschriftungen werden die Scherben wertvoll. Es gibt aber auch Fälschungen von richtigen Kunstobjekten. Je nach Aufwand sind solche Fälschungen mehr oder minder gut. Zwischen den Blütezeiten, in denen die Kunst in Ägypten und Mesopotamien exquisit war, gab es auch Krisen und Bürgerkriege. In diesen Zeiten ließ die Kunst in ihrem Anspruch und handwerklich immer wieder stark nach. Im Alten Ägypten wurde Kunst oft in Massenproduktion hergestellt. Dadurch haben auch die schlechteren Fälschungen eine Chance.«
Kjell fuhr im Anschluss an das Gespräch mit dem Professor zu Maris ehemaliger Studienfreundin Alva Sundin. Sie war dreiundzwanzig Jahre alt, stand kurz vor ihrem Abschluss und wohnte in einem Studentenwohnheim am Valhallavägen. Dort öffnete eine junge Frau die Tür. Alva sei unterwegs, würde aber um ein Uhr zurück sein. Sie bot ihm an zu warten. Er sah auf die Uhr. Anderthalb Stunden wollte er nicht in einer Studentenbude sitzen.
Die Sonne schien, also ließ er den Wagen stehen und spazierte durch den Vanadispark zum Antiquariat. Er hielt in einem Café und blätterte bei einer Tasse Kaffee in Maris Arbeit.
Sie begann mit einem Forschungsüberblick zum Paarungsverhalten von Tieren. Jede Tierart besitzt eine gewisse Anzahl an Chromosomen, und nur Tiere der gleichen Art konnten sich paaren. Das Balzverhalten war ein Schlüssel-Schloss-Spiel, mit dem zwei Tiere sicherstellten, dass sie zur selben Art gehörten. Das Weibchen hatte ganz bestimmte Verhaltensmerkmale, um Männchen anzulocken und dann zu testen. Auf diese Weise führe die Natur nur solche Männchen und Weibchen zusammen, die auch zueinander passten, behauptete Mari im Vorwort. Kjell war sogleich klar, dass Mari in ihrem eigenen Liebesleben noch völlig am Anfang stehen musste. Es erstaunte ihn, wie schnell sie es bis zum Mord gebracht hatte. Sie war wirklich ehrgeizig.
Forscher hatten herausgefunden, dass Zickigkeit und Provokation feste Elemente des weiblichen Anlockverhaltens waren. Beides diente dem Zweck, den Trieb des Männchens herauszufordern, anzustacheln und zu prüfen, ob es in richtiger, also arttypischer Weise darauf reagierte. Männer reagieren meistens arttypisch, dachte Kjell. Das war wohl das Geheimnis ihrer Unfehlbarkeit.
Wenn das bei Tieren so war, dann musste das auch bei Menschen so sein. Das war Maris Hypothese. Die Frage war, was am Verhalten von Frauen Anlockstrategie war. Mari hatte dazu ausgiebige Versuchsreihen durchgeführt. In einem Raum hatte sie fünf junge Männer und fünf junge Frauen versammelt. Mari täuschte die Probanden und gab vor, es handle sich um eine soziologische Studie, und bat die Probanden, über Themen wie »Passen Frauen und Männer zusammen?«, »Sind Frauen intelligenter als Männer?« sowie »Rückwärts Einparken als solches« zu diskutieren. Die Teilnehmer glaubten, es ginge um die statistische Verteilung gewisser Ansichten.
Unabhängig vom Thema warfen die Frauen den Männern kurz nach Beginn der Diskussion an den Kopf, »nur mit dem Schwanz zu denken« (44×) und »nur das eine zu wollen« (210×). Niemand von ihnen ahnte, dass auf jede Frau eine Kamera gerichtet war.
Kjell blätterte zum Ende der Arbeit, wo die Ergebnisse zusammengefasst wurden. Er lachte oft und laut, ging die entscheidenden Szenen in allen seinen bisherigen Partnerschaften durch. Das waren dreiundzwanzig, wenn er die ein- bis zweiwöchigen mitrechnete.
Mari hatte nachgewiesen, dass das forsche Anmachen der Männer und das Zurückstoßen der Frauen eine feste Einheit bildeten. Sie fand immer und überall statt und war Teil der Denkhaltung. Der Professor hatte ihm vorhin schon unnötigerweise erklärt, dass fast alles, was ein Mensch denkt, fühlt und tut, instinkt- und triebgesteuert sei. Von einem freien Intellekt könne keine Rede sein.
Mari behauptete in ihrer Arbeit, dass es sich um eine Art Paarungstanz handle, wenn Frauen sich über den Sexualdrang eines Mannes beschwerten. Sie hatte Paare befragt, bei denen die Frau
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