Der zweite Tod
blies warm und weich. Die Straße lief lange Zeit gerade durch die Wüste und war eine Verlängerung des Ganges im Flughafengebäude. Nura rief Fragen gegen den Rückspiegel. Linda beugte sich nach vorn und strich sich die wehenden Haare aus dem Gesicht, ehe sie antwortete. Der Motor rasselte laut. Nach einer Viertelstunde tauchten die ersten Häuser auf, und die Straße verbreiterte sich. Sofi schaltete das Radio ein und stellte es laut. Sie drehte sich zu Linda um und zwinkerte ihr zu.
Der Verkehr wurde immer dichter. Nura und alle anderen Ägypter fuhren wohl vor allem deshalb Auto, damit sie die ganze Zeit hupen konnten. Linda legte den Arm auf den Fensterrahmen und bettete ihren Kopf darauf. Palmen und Eselkarren zogen an ihr vorbei. Linda verstand jetzt, warum Jamal, der Zeitungshändler vom Hornstull, immer mit heruntergelassenen Fenstern und lauter Habibimusik durch Söder fuhr. Das würde sie zu Hause auch ausprobieren.
Sie seufzte leise. Es gab wirklich keinen Grund, sich zu sorgen, dass sie zu Hause etwas verpassen könnte. Hier geschah deutlich mehr. Und dabei steckten sie noch in den Vororten. Kairo schmeckte nach Blei und Ruß. Zum ersten Mal seit vier Tagen konnte sie es nicht erwarten zu zeichnen.
28
Kjell blickte aus dem Fenster. Die Bäume im Kronobergspark waren mit dicken Schneekronen bedeckt. Abgebrochene Äste versperrten die Wege. Es wurde langsam Zeit, einige Stunden zu schlafen. Der Nachmittag hatte begonnen. Er wandte sich vom Fenster ab und setzte sich wieder zu Barbro und Henning an den Besprechungstisch.
Viktoria und ihre Kollegen hatten die Anwohner nach Nachnamen sortiert. So war es niemandem aufgefallen, dass zwei Wohnungen im Haus gegenüber leer standen. Die eine Wohnung befand sich im zweiten Stock, lag aber zur anderen Seite zum Hof hinaus. Die zweite war im vierten Stock, genau gegenüber von Peterssons Wohnung. Das Fenster lag einen Meter höher, so dass man von dort auf Peterssons Schreibtisch blicken konnte.
Linda hatte mit ihrem Telefon drei Fotos geschossen. Darauf sah man sogar etwas leuchten. Sonst waren die Bilder unbrauchbar. Die eingebaute Kamera hatte versucht, die Dunkelheit aufzuhellen und die Bilder körnig und unscharf gemacht. Linda hatte niemanden aus dem Haus kommen sehen, nachdem die Lämpchen in der Wohnung erloschen waren. Alles war dunkel geblieben.
Bisher hatten sie noch nichts unternommen, nur einen Blick aus dem Fenster des Ateliers riskiert und eine Kamera von dort auf die Fenster der Wohnung gerichtet. In Idas Wohnung befanden sich seit sieben Uhr zwei Polizisten. Ein weiterer war um neun Uhr in das Haus geschlichen und auf eine Tür zum Hof gestoßen. Folgte man diesem Weg über zwei Innenhöfe, stand man am Ende auf der Dalagatan, die parallel zur Västmannagatan verlief. Überall waren unauffällig Polizisten postiert.
Nun mussten sie hoffen. Bestimmt hatten die Männer nicht damit gerechnet, von Linda beobachtet zu werden. Alle fragten sich, ob sie noch einmal zurückkehren würden.
»Die Wohnungsgenossenschaft sagt, dass die Wohnung seit zwei Monaten leer steht«, teilte Barbro mit.
Sie hörten sich die Aufzeichnung von Lindas Anruf noch einmal an.
»Willst du also wirklich warten?«, fragte Barbro.
»Wenn wir die Wohnung betreten, finden wir vielleicht nicht viel, haben uns aber verraten.«
»Aber es könnte die Sache aufklären«, gab Henning zu bedenken. »Wir tun jetzt so, als hätten wir dort drüben Peterssons Mörder entdeckt. Es kann auch etwas völlig Harmloses oder Zufälliges sein.«
Das besprachen sie nun zum fünften Mal.
»Aber Kjell hat Recht«, fand Barbro. »Das ist eine unglaubliche Chance. Wenn wir uns nicht verraten haben, rechnet dort drüben niemand damit, dass wir etwas gemerkt haben.«
»Wenn wir die Nachbarschaftsbefragung nicht der lokalen Kripo überlassen hätten, wüssten wir längst davon.« Henning klang sauer. »Dann besäßen wir einen Grundriss von jedem Stockwerk und hätten alle leeren Wohnungen geöffnet.«
Kjell beschwichtigte seine Kollegen mit erhobenen Händen. »Gehen wir mal davon aus, dass jemand Peterssons Wohnung beobachtet hat. Die beiden Fenster liegen einander genau gegenüber, und wenn wir Lindas Angaben Glauben schenken, sieht es nach einer Überwachung aus. Es könnte sich um die Presse handeln. Irgendjemand hat ihnen einen Tipp gegeben, und sie haben sich auf die Lauer gelegt.«
»Dann hätten sie alles mitbekommen«, folgerte Barbro. »Sofis ganze Entschlüsselung des Passworts.
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