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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Vielleicht Afionbladet . Dort liegt doch die halbe Belegschaft irgendwo auf der Lauer. Und der Rest schreibt Kolumnen.«
    Henning winkte ab. »Keine Journalisten. Sie könnten die Bilder doch gar nicht verwenden.«
    »Sie wären wohl auch nicht in die Wohnung gelangt«, gab Barbro zu.
    Kjell hakte die Journalistentheorie ab. »Gehen wir davon aus, dass die Beobachtung bereits vor Peterssons Tod begonnen hat. Kullgren hat mir versichert, dass die Säpo nicht dahintersteckt. Glauben wir ihm?«
    »Ich glaube Kullgren nie«, antwortete Barbro. »Aber in diesem Fall glaube ich nicht an die Säpo.«
    »Es ist genau ihr Stil.« Henning war bei der Schnitzeljagd in der Februarnacht vor zwanzig Jahren als junger Polizeiassistent dabei gewesen. »Genauso arbeitet die Säpo.«
    »Also hat jemand anderes Petersson beobachtet.« Kjell sah fragend in die Runde.
    Henning lud sich eine ordentliche Ladung Schnupftabak auf den Handrücken, schnupfte und rückte beim Aufstehen den Bund seiner Hose zurecht. Es war stets eine ernstzunehmende Geste, wenn er das tat. »Ich würde nicht mehr warten«, sagte er. »Die haben, was sie wollten. Uns bleiben dort nur die Spuren.«
     

29
    Donnerstag, 6. Dezember
     
    Erst als sie bereits im Wagen saßen, wurde es mit einem Schlag hell. Dennoch hatte Linda den Eindruck, dass sie und Nura von allen Menschen in Kairo am längsten geschlafen hatten. Ein Junge in ihrem Alter manövrierte eine lange Stange, an der zu Ringen geformte Brötchen hingen, zwischen den vielen Menschen hindurch. Linda winkte ihm zu. Die Freundlichkeit hier war so ansteckend. Der Wagen quälte sich durch die Straßen.
    Linda überlegte, wie lange es noch dauern würde, bis sie die Stadt hinter sich ließen und sie die Pyramiden sah. Sie durchquerten den Süden der Stadt, das Wort »Giza« tauchte auf vielen Schildern auf. Die Häuser waren voller Reklametafeln. Auf einer weiten Kreuzung wollte Nura links abbiegen, musste aber in der Mitte anhalten. Sie hatte sie nicht vorgewarnt. Als Linda in die Querstraße hineinsah, entfuhr ihr ein dünnes Krächzen. Zwischen den Häuserfluchten stand die Pyramide. Sie war noch weit entfernt, und obwohl sie gar nicht so riesig wirkte, wie Linda es sich ausgemalt hatte, überragte sie bereits alle Häuser wie ein Berg am Horizont. Sie fuhren mehrere Minuten lang darauf zu, aber die Pyramide wuchs nicht. Als sie dann vor dem Gelände ankamen und die Pyramide nur noch dreihundert Meter entfernt war, wirkte sie genauso groß wie eine Viertelstunde zuvor. In einem Café tranken sie Tee, und Linda hatte einen Augenblick, um die drei Pyramiden und den Sphinx aus der Ferne zu betrachten. Nura erklärte ihr, dass man nicht wusste, ob der Sphinx König Chefren oder Cheops darstellte. Die Einheimischen nannten ihn nur den Vater des Schreckens. Neben den Pyramiden wirkte er winzig. Er sah sie an wie John. Durchdringend und zum Sprung bereit.
    Die Touristen würden erst viel später mit Bussen kommen. Nur ein ägyptischer Wachmann stand vor dem Eingang, der einige Meter über dem Boden lag. Nura steckte ihm Geld zu und machte eine einladende Geste.
    »Geh alleine hinein«, sagte sie auf Schwedisch. »Jetzt ist es schön leer!«
    Linda starrte Nura an. Das war es also, worüber Nura und Sofi am Abend getuschelt hatten.
    »Keine Angst, du passt schon rein. Es gibt auch nur einen Weg wieder heraus. Kannst dich gar nicht verirren.«
    Man sah es den Ägyptern nicht an, wenn sie einen Scherz machten. Man musste schon gut zuhören.
    Linda folgte dem waagerechten Stollen, dann musste sie gebeugt einem engen und steilen Tunnel folgen. Schließlich stand sie vor einer riesigen Treppe. Die Wände waren viele Meter hoch. Beim Hinaufschreiten hielt sie sich an dem Holzgeländer fest. Sofi hatte sie ermahnt, dass man dem Fluch nur entgehen könne, wenn man auf dem Rückweg darauf hinunterrutschte. Oben warf sie unsicher einen Blick hinab. Die Kuppel der Globenarena war winzig dagegen.
    Die Grabkammer entsprach in ihrer Größe dem Wohnzimmer zu Hause. Sie war ganz schmucklos und geometrisch. Ein leerer Sarkophag stand darin, und Linda hatte vor Augen, wie sie mit John gebadet hatte. Sie lehnte sich gegen die Wand und glitt daran hinunter. Sie war noch nie so allein gewesen. Das fühlte sich gut an.

30
    Es war sechs Uhr dreißig. Sie gingen davon aus, dass die meisten Hausbewohner noch beim Frühstück saßen. Kjell und Henning standen mit Per vor der Wohnung. Henning hatte am Vortag den Schlüssel von der

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