Der Zweite Tod
Putzherrn zu berichten. Wie sie ihm mit einer derartigen Wahrhaftigkeit unverfroren und stolz ins Gesicht log, ließ augenblickl ich eine wehmütige Wärme in Kjells Herzen aufglimmen. Sie musste es mit der Muttermilch aufgesogen haben. Kein Zweifel, dass sie es selbst glaubte, während sie es sagte.
»Wo ist Maria?«, fragte Teresa.
»Maria? Wer soll das sein?«
»Ma ria, seine Freundin!«
»Stammt die Wäsche in der Wohnung von ihr?«
»Das weiß ich nicht«, log Teresa weiter. »Ich putze nur und bin nicht neugierig.«
Wäh rend Kjells Aufent halt in Sevilla hatte seine Hauswir tin in der Calle de los Reyes die totale Kontrolle über seine Unterwäsche und den Inhalt aller an ihn adressierten Briefe gehabt. Der hierzu lande ver breitete Wunsch, sich wenigs tens eine Stunde am Tag allein in sein Zimmer zurückzuziehen, war dort als psychische Abnormität mit verwundertem Kopfschütteln quittiert worden. Dass eine Putzfrau aus Sevilla sich nicht in die niedersten Win kel vorarbeitete, war völ lig aus geschlos sen. Kjell gab ihr dies zu bedenken und strich sich besorgt ums Kinn. Mit dieser Geste wollte er ihr weismachen, dass sie geradewegs in ihr Unglück lief. Mit diesem Ass im Ärmel hatte Teresa nicht gerechnet. Sie gab alles zu und tat, als hätte sie nie etwas anderes behauptet. Natür lich hatte sie sorg fältig ge putzt.
»Kennst du ihren Nach na men?«
Teresa zuckte mit den Schultern.
»Weißt du sonst noch etwas über sie? Wie alt ist sie, wo wohnt sie?«
»Sie wohnt bei Petersson!«
Eine Maria war dort jedoch nicht gemeldet.
Teresa deutete auf Sofi. »Sie ist so alt wie sie.«
»Wirklich, so jung? War das seine Freundin?«
»Ja, sie war seine Freundin und hat gearbeitet. Wie eine Sekretärin. Aber sie war mehr seine Freundin.«
Mit anderen Worten, dachte Kjell, Teresa kannte alle Spuren aus dem Schlafzimmer und wusste über alle Details Bescheid, würde sie aber der Polizei zu letzt verraten.
»Ich weiß nur, dass ihr Vater vor einigen Wochen gestorben ist. Es war Krebs! Das hat sie erzählt. Sonst hat sie überhaupt nichts erzählt.«
»Seit wann arbeitest du bei ihm?«
»Noch nicht lange, drei Monate.«
»Wie bist du zu ihm gekommen?«
»Ich arbeite noch bei Osborne.«
»Dem Sherry?«
Teresa schüttelte lachend den Kopf. Anscheinend tat sich ihr die Verbindung erst jetzt auf, obwohl sie den Namen spanisch ausgesprochen hatte. »John Osborne wohnt ganz oben im Haus.
Er ist aus Amerika und ein berühmter Maler. Dort arbeite ich seit einem Jahr. Und er hat gefragt, ob ich auch bei Petersson arbeiten will. Für mich ist das gut, zwei Kunden in einem Haus! Aber alle sind verrückt dort!«
Er bedankte sich und bat Teresa, bei einer Phantomzeichnung von Ma ria mit zu hel fen.
Um drei Uhr brach Sofi mit einem Laptop zur Wohnung von Carl Petersson auf, wo sie eine Kopie von der Festplatte seines Computers anlegen wollte. Sie versprach sich viel davon, denn Pet erssons Comput er war ein zwei Jahre alt es Modell. Nach einem flüchtigen Blick in die Betriebseinstellungen war sie zu dem Urteil gekommen, dass er auch schon längere Zeit verwendet worden war. Auf der Festplatte hatte sie jedoch verdächtig wenige Dateien gefunden. Bestimmt war auf der Festplatte vieles gelöscht worden. Gelöschte Festplatten wieder zum Sprechen zu bringen, war eine von Sofis Stärken.
Die erste Auswertung des Zimmers hatte jedoch auch ergeben, dass Petersson das meiste handschriftlich erledigt und notiert hatte. Den Computer hatte er anscheinend nur für gewisse Zwecke verwendet, die Sofi noch nicht ganz verstand. Worauf sie in den Verzeichnissen stieß, das waren vor allem Endfassungen wissenschaftlicher Texte, während sich Notizen und Entwürfe dazu in handschriftlicher Form fanden.
Petersson hatte die gelöschten Dateien so fachmännisch beseitigt, dass selbst Sofi nichts mehr ausrichten konnte. Von nun an traute sie ihm alles zu.
Während Teresa beim Phantomzeichner saß, ließ sich Kjell von Vik toria berichten, was die Befra gung der Nachbarn er geben hatte. Aber bisher waren sie auf niemand gestoßen, der Petersson näher kannte oder gar etwas von den Ereignissen in der Nacht mitbekommen hatte. John Osborne hatte man nicht angetroffen. Viktoria konnte aber sagen, dass es sich nicht um ein Phant om wie Sahl in handelte, denn die Nachbarin aus dem fünften Stock hatte ihn am Vormittag das Haus verlassen sehen. Wie immer hatte er ihren Gruß nicht beachtet. Das hatte sich die Nachbarin gut
Weitere Kostenlose Bücher