Der Zweite Tod
dazu, mit so einer Sensation ist man wieder im Spiel. Weiter kann man gar nicht aushol en als mit dem Diskos.«
Der Nachmittag war angebrochen. Das Gespräch mit dem Professor hatte eine ganze Stunde gedauert. In dieser Zeit war viel passiert. Barbro hatte wie die anderen schon einen ganzen Arbeitstag hinter sich und gestern einen langen Abend gehabt. Ihr Rücken war schon ganz krumm.
»Robert Sahlin aus dem dritten Stock hat Schweden vor sieben Tagen verlassen«, begann sie. »Er hat letzten Mittwoch telefonisch ein Taxi bestellt und sich damit zum Flughafen nach Arlanda bringen lassen. Und er ist tatsächlich abgeflogen. Nach Tel Aviv. Das war das letzte Telefonat, das von seinem Telefon aus geführt wurde. Bis heute Nacht.«
»Hat Per das Telefon schon überprüft?«
»Nur Sahl ins Fin gerabdrü cke wa ren da rauf. In der ganzen Wohnung gibt es nur Fingerabdrücke von ihm.«
Robert Sahlin war siebenundvierzig Jahre alt und Lehrer an einer Mittelschule in Sundbyberg. Seit Beginn des Schuljahres war er krankgeschrieben. Barbro war gerade dabei herauszufinden, woran er litt. Die Spurensicherung hatte auch das Schloss aus Sahl ins Woh nungstür ausgebaut und untersucht.
»Es ist ein sehr teures Fabrikat. Per behauptet, dass man es deshalb leichter knacken kann und dabei weniger Spuren hinterlässt als bei einem Billigschloss. Das Metall ist härter und der Mecha nis mus prä ziser.«
»Wie leicht kann man es knacken?«
»Er hat es mir gezeigt. Es hat zwei Sekunden gedauert. Unter dem Mikroskop erkennt man minimale Kratzer auf den Stiften, aber das kann auch vom Schlüssel kommen. Die üblichen Spuren hat Per nicht gefunden. Technisch spricht also nichts für einen Einbruch.«
»Hast du keine guten Nachrichten?«
»Doch!« Barbro lachte. »Peterstons Putztrau steht vor der Tür. Sie will putzen!«
»Sie darf weder putzen noch nach Hause gehen.«
»Sie ist schon unterwegs. Von Per soll ich dir ausrichten, dass es sich bei der Wohnung um einen Zweipersonenhaushalt handelt. Petersson hat dort nicht all ein gel ebt. Per hat zahlreiche Dinge gefunden. Da menwä sche, Binden, ein biss chen Kos metik. Alles in allem reicht es nicht für das Leben einer Frau, aber es war weit mehr als eine Reiseausstattung.«
»Habt ihr einen Namen?«
»Eine zweite Handschrift, mehr nicht. Sie stammt wohl von einer Frau und findet sich auf vielen Dokumenten, aber meist nur in Form kürzerer Kommentare.«
»Vielleicht hat sie für ihn gearbeitet?«
Barbro verzog das Gesicht. »Ja, sie war eine Sekretärin, die mit Unterwäsche zur Arbeit erschien und sie ohne wieder verließ.«
»Wie sieht es denn mit der Obduktion aus?«
»Wir werden uns gedulden müssen. Jetzt vor der Gerichtspause an Weihnachten kommen sie in Solna kaum hinterher. Bisher weiß Hans nur, dass Petersson an einer Herzerkrankung litt. Das hat er an schei nend der Leiche sofort angesehen. Wie auch immer er das gemacht hat.« Barbro zuckte mit den Schultern.
Nach zwan zig Minuten brachte Vik toria Hammarfors die Putzfrau Teresa Hernändez. Kjell schätzte sie auf fünfzig Jahre, in denen sie sich gut gehalten hatte. Wahrscheinlich steckte Olivenöl dahint er. Sie stammte aus Sevilla. Kjell verschwieg ihr, dass er in seiner Jugend dort einen turbul enten Sommer verbracht hatte, so einen wie Sofi in Kairo vielleicht, nur fünfzehn Jahre früher und auf jeden Fall wilder.
Teresas Stock hol mer Schwe disch und ihr anda lu sischer Akzent verschmolzen in ihrem Mund zu astreinem Gotländisch. Sie trat nach Kjells Geschmack ein wenig zu heimatbewusst auf. Eigentlich trat Teresa gar nicht auf, sondern setzte sich mit durchgedrücktem Rücken ganz vorne auf die Sitzfläche des Besucherstuhls vor seinem Schreibtisch. Allein dadurch hätte so gut wie jeder mit seinem Tipp auf ihre Herkunft nicht schlecht gelegen. In der Ferne demonstrierten die Menschen gern ihre Wurzeln, das war ihm schon häufig aufgefalten. Letztes Jahr hatte hier ein argenti ni scher Tan gogitar rist gesessen, der seine erste Gitar ren stunde erst in Hägers ten genom men hatte. Er kannte auch eine junge Türkin, die erst in der neunten Klasse an der Mariaskolan in Södermalm während einer Gemeinschaftskundestunde die Erleuchtung über kam, dass sie dringend ein Kopftuch brauchte.
Teresa lebte erst seit einem Jahr in Schweden, ihr Mann Jesüs arbeitete jedoch seit vier Jahren in einer Stockholmer Autozulieferfirma. Sie putzte zweimal in der Woche bei Petersson. Teresa hatte nur Gutes über ihren
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