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Der Zweite Tod

Titel: Der Zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
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sogar zu dritt. Dann setzten sie Linda am Ende zu Hause ab und fuhren zu zweit dem Horizont entgegen. Offiziell wollte Barbro nicht verpassen, wie der Airbag reagieren würde, wenn er aus dem Lenkrad schoss und Henning am Steuer sitzen sähe. In Wahrheit verbrachten die beiden drei bis vier Abende in der Woche zusammen. Während Barbro zwei Stunden mit Emelie spielte, verteilte Henning das Gewicht seines Körpers gleichmäßig auf dem Sofa der Frau, die wegen ihrer Haltung zu Männern in ihrer alten Abteil ung nur »Die Harpunistin« genannt worden war. Doch mittl erweile konnte Kjell sich vorstellen, dass es Momente geben konnte, in denen Barbro sehr weich wurde. Und dass sie sich nach diesen Momenten sehnte.
    Es würde ihn nicht wundern, wenn das verchromte Herz von Barbros Vater seine Tochter nach einer Odyssee, die dem klassischen Vorbild weder in Dauer noch in der Zahl der Logbucheinlräge nachftand, am Ende in den Hafen von Hennings weit geöffneten Armen triebe. Und Hennings Arme und Hände waren solche, wie man sie bekommt, wenn man jahrelang Schleifen in Schiffsanlegetaue geschlungen hat. Es waren also Arme, aus denen Barbro sich nicht mehr würde herauswinden können, und genau in diese Lage trieb es Barbros Unterbewusstsein anscheinend. Was für eine groteske Entwicklung und wie absolut folgerichtig, fand Kjell. Genauso war das Leben beschaffen.
    Wenn Emelie zu zappel ig war, wurde sie gegen sieben Uhr auf Hennings Brustkorb gebettet und in den Schlaf gebrummt. Dann schaltete Henning den Fernseher aus. Soweit Kjell wusste, fuhr Henning dann immer noch zu sich nach Hause.
    Es war für Kjell überhaupt kein Problem gewesen, das alles herauszufinden. Henning und Barbro verband eine mittelfristige Zukunft in Gestalt eines 10 000-Teile-Weltkartenpuzzles, bei dem sich nach zwei Monaten gerade mal die blauen Konturen der Welt meere abzeichne ten. Das al les hatte Henning frei mütig zugegeben. Be stimmt puzzelten sie von den beiden Polen aufeinander zu.
    Barbro und Linda hatten sich für heute Abend zu einer Fahrstunde verabredet. Deshalb hatte Kjell das Auto auch gestern in der Ga rage des Präsidiums ste hen las sen.
    »Wie war der Physiktest?«, wollte Sofi wissen.
    Linda war in der vergangenen Woche einige Male ins Büro gekommen, um Sofi Fragen zu den keplerschen Gesetzen zu stellen. Es erstaunte Kjell, dass Linda sich diesmal so viel Mühe gab. Das tat sie bei Fächern, die sie nicht mochte, normal erweise nicht.
    »Papa!«, begann Linda. »Höglunds Drucker war kaputt. Er musste uns die Aufgaben diktiiiieren!« Sie klang empört. »Und wie lief es?«, fragte Kjell.
    »Wir mussten die Umlaufbahn von einem Kleinplaneten berechnen. Und der hieß Joe!«
    »Ein Planet namens Joe?«, fragte Barbro amüsiert. »Wie Joe Pesci?«
    »Ja!«
    Kjell wusste, dass ihre Berechnung der Umlaufbahn des Planeten Joe kein gutes Ende genommen haben konnte, sonst hätte sie ihn schon in der Mittagspause angerufen.
    »Das hat mich total durcheinandergebracht. Ich habe gesagt, dass es doch gar keinen Planeten Joe gibt! Wie soll man da die Umlaufbahn berechnen?«
    »Ist das denn so wichtig?«, fragte Sofi vorsichtig. Linda sah sie erstaunt an. Sofi versuchte, sich zu erklären. »Ich meine, wenn es einen Planet mit dem Namen Joe
gäbe,
dann würden doch die keplerschen Gesetze für ihn genauso gelten. Der Planet könnte doch auch ›Barbro‹ heißen.«
    Nein. Das konnte er eben nicht.
    Kjell schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. Auf dem Weg zu seinem Mantel strich er seiner Tochter übers Haar. Er überlegte, ob Lindas Auftritt ein Manöver war, kam jedoch zu dem Schluss, dass sie das nicht nötig hatte. Seit Madeleines Tod vor vier Jahren waren sie gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Vom geteilten Leid nahm die Festkörperphysik gute zwei Drittel ein. »Ich bin mir sicher, dass es irgendwo einen Planeten namens Barbro gibt«, sagte er und schlüpfte in den Mantel. »Seine Umlaufbahn ist auf jeden Fall exzentrisch.«
    Barbro war so müde, dass sie nur noch abwinken konnte. Sie hatte keine Kraft mehr, jetzt noch eine solche Herausforderung an zu neh men.
    Linda rührte sich nicht vom Stuhl, obwohl Kjell seine Hand schon auf die Türklinke gel egt hatte. »Das ist doch noch gar nicht alles. Er hat es dann an die Tafel geschrieben. Und weißt du was, Papa?« Sie drehte sich zu ihm. »Der schreibt sich gar nicht J-O-E. Er meinte Io!«
    »Den Jupitermond?«, fragte Sofi.
    Linda nickte.
    Also doch ein Manöver. Linda wusste

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