Der Zweite Tod
beiden. Sie hätten es viel früher verkaufen sollen. Gustav lag doch die letzten Jahre im Krankenhaus.«
»Hat Mari denn hier gewohnt?«
»Seit der Beerdigung habe ich sie kaum noch gesehen. Damals hat sie mir verraten, dass die Bank dabei ist, das Haus zu verkaufen. Aber eigentlich wohnt sie noch hier.«
»Was hat Mari denn gemacht? Wo hat sie gearbeitet?«
»Sie hat studiert. Aber ich habe vergessen, was es war. Biologie glaube ich, oder Psychologie. Nein, es hatte mit Knochen zu tun.«
»Hier in Stockholm?«
»Ja. Sie konnte ja nicht anderswo studieren. Wegen Gustav. Ein Wunder, dass sie das Studium geschafft hat.«
Zwei Stunden später drang die Polizei in das Haus ein. Es wirkte innen noch verlassener als von außen. Alle Zimmer waren aufgeräumt und sauber, und nur eine dünne Staubschicht bedeckte die Möbel. Die Kri minaltechni ker schlos sen da raus, dass sich seit dem letzten Hausputz niemand für längere Zeit hier aufgehalten hatte. Barbro öffnete den Kühlschrank. Innen blieb es dun kel.
Die Räume im Erdgeschoss ordnete sie dem Vat er zu, die beiden Zimmer in der ersten Etage seiner Tochter. Oben befand sich auch ein eigenes Bad, das ohne Zweifel wie die beiden anderen Zimmer von einer Frau benutzt wurde. Per holte sich seine DNA Pro ben aus ei ner Haarbürste.
Bar bro be gut achtete die beiden Zim mer. Das Bett war bezogen und auch benutzt. Aus dem Bücherregal konnte man Mari Svahns see lische und äu ßer liche Ent wick lung in den letz ten zehn Jah ren able sen, begin nend bei den Pferde roma nen der frühen Mari bis hin zu wissenschaftlicher Literatur der späten Jahre. Die Titel passten zu der Vermutung der Nachbarin, dass Mari Bio lo gie oder et was Ver wandtes stu diert hatte. In ei nem kleinen, nur hüfthohen Regal neben dem Schreibtisch fand Barbro Ordner. Darin befanden sich die Aufzeichnungen aus ihrem Studium. Interessant war dabei vor allem, dass die Handschrift von Mari nicht die zweite Handschrift sein konnte, die man in Pe ters sons Wohnung ge funden hatte.
Als Barbro das Haus verl ieß, waren Per und sein Koll ege Lasse bereits zurückgefahren. Sie kramte eine Weile im Kofferraum und fand schließlich elektronische Siegel für Maris Zimmer und die Haustür.
13
Die pathologische Untersuchung von Carl Petersson bestätigte, dass der Brieföffner aus der Spülmaschine schon einmal in seinem Rücken gesteckt hatte. Das Drama bestand also aus mehreren Akten. Hans konnte das hinter dem Befund stehende Szenario aber noch nicht re konst ru ie ren.
»Die Klinge wurde erst hineingestochen, jedoch nur vier Zentimeter tief«, erklärte er Kjell. »Der Schaden war immens. Der Stoß wurde dadurch gebremst, dass die Spitze auf Knorpelsubstanz der Wirbelsäule traf und sich zwischen zwei Wirbeln verkeilte. An sich schon schmerzhaft, und der Stoß hat dem Nervensystem argen Scha den zuge fügt. Ich gehe davon aus, dass Petersson von der Einstichstelle abwärts gelähmt war. Vielleicht sogar bis zum Hals.«
»Wie schmerzhaft ist das?«
»Die Lähmung war sein Glück, sonst hätte man seine Schreie noch in Göt eborg gehört. Der Stoß an sich war nicht sehr kräftig.«
»Das war jetzt der erste Teil?«
Hans nickte. »Insgesamt ist die Wunde achtzehn Zentimeter tief, so tief wie die Klinge. Sie wurde erst bewegt und dann mit einem viel kräftigeren Stoß wieder hineingerammt. Dadurch ist er gestorben. Und zwar sofort.«
»Wäre er sonst nicht gestorben?«
»Das wäre er auf jeden Fall, aber erst später. Noch später wäre er dann an ei nem Herzin farkt gestorben.« Kjell kratzte sich am Kopf.
»Wir haben ein junges Mädchen in Verdacht. Kann sie ihm den Stoß versetzt haben?«
»Dazu kann ich dir nicht viel sagen. Ein schwaches Mädchen hätte den ersten Stoß ausführen können. Dass die Spitze in die Wirbelsäule vorgedrungen ist, lag weniger an der ausgeübten Kraft als vielmehr an der gebeugten Halt ung beim Sit zen.«
»Und der zweite Stoß?«
»Der ist gar nicht so int eressant. Um die Spitze überhaupt aus den Wirbeln lösen zu können, muss man kräftig und entschlossen sein. Der zweite Stoß verfehlte die Wirbelsäule knapp und hat gar nicht so viel Kraft erfordert. Er durchbohrte die Lunge.«
Am Mittag traf sich Sofi mit dem Ägyptologen Sven Flemming. Er arbeitete in einem anderen Institut, das aber ganz in der Nähe lag. Gestern hatte ihr Jan Nyberg empfohlen, mit seinem Kollegen zu sprechen, wenn sie in Uppsala war.
Flemming stellte sich in jeder Hinsicht als
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