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Der Zweite Tod

Titel: Der Zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
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unterschieden sich von ande ren le benden Künst lern darin, dass ihre Bilder sehr sorg fältig gearbeitet wa ren. Ih nen fehlte die handwerkliche Grobheit, die anderen Malern und Betrachtern zurzeit als Tugend galt. Bisher hatte er geglaubt, dass das bei Linda an ihrem Alter lag, nun aber sah er es mit anderen Augen. Barbro hatte ihm gestern ein Dossier mit Artikeln aus ame ri ka nischen Zeitun gen und Fachmaga zi nen zu sam men gestellt. Obwohl Osbornes Durchbruch Jahre zurückl ag, galt er in der Kunstszene von New York seither offenbar als seiner Zeit vo raus.
    Osborne bot Kjell Kaffee an, der bereits fertig war. Er hatte gerade beim Frühstück gesessen. Kjell schätzte den Mann auf Ende dreißig bis Anfang vierzig. Er wirkte ruhig, sein Gesicht hatte filigrane, aber nicht unmännliche Züge.
    Kjell erklärte ihm, dass die Pol izei wegen des Mordes die Nachbarn befragen müsse, und das könne auch mehrmals nötig sein. Er erwähnte auch, was er von Ida wusste. So brauchte Osborne gar nicht erst abzustreiten, Petersson gekannt zu haben.
    »Ja, Ida«, seufzte Osborne. »She’s smart as hell.«
    Die Küche war nur eine Nische unter der Dachschräge und hatte keine Trennwand zum Atelier, sondern nur eine hüfthohe Theke. So konnte man von hier aus auf die Leinwände blicken. Darauf waren ausschließlich Frauen zu sehen.
    »Hast du Ida auch gemalt?«, fragte Kjell arglos.
    »Like that?«, fragte Osborne.
    »Like that« bedeutete in die sem Zusam men hang »nackt wie im Paradies«.
    »She would never agree!« Kjell atmete auf.
    »Ich habe Skizzen von ihr. Das war vor einem Monat. Ich habe sie unten besucht in der Nacht und sie beim Arbeiten gezeich net.«
    Osborne stand auf und ging hinüber ins Atelier. Er kehrte mit einigen Bögen zurück und legte sie vor Kjell auf den Tisch. Kjell kam es so vor, als hätte er das schon einmal erlebt. Beim Betrachten der Skizzen ließ er sich seine Begeisterung nicht anmerken. Es erstaunte ihn, dass dieser Mann etwas an Ida erkannt hatte, von dem Kjell sicher gewesen war, dass nur er es je bemerkt hatte. Das war ganz schön ärgerlich.
    »I called them Nightly Scholarship.« Osborne fixierte ihn mit den Augen. »Sie hat ein Problem mit ihrem Körper.«
    Kjell schmunzelte. Osborne beobachtete Kjells Reaktion genau, deshalb wechselte Kjell rasch das Thema. »Warum bist du ei gent lich in Schwe den?«
    »Es gibt viele Gründe. Aber der eigentl iche Vorteil ist, dass ich dann nicht in Manhattan bin.«
    »Wie gut kanntest du Carl Petersson?«
    Osborne runzelte die Stirn, als ob er das gar nicht so genau einschät zen könnte.
    »Eines Tages hat er geklingelt. Später kam er immer wieder mal vorbei und brachte Fotos mit, zu denen er meine Meinung hören wollte. Es waren altägyptische Stuckmalereien.
Funeral,
wie sagt man?«
    »Grabma lerei?«
    Osborne nickte. »And coffins.«
    Das passte zu der Datei mit der Abhandlung über einen altägyptischen Sarg, die sie auf Peters sons Computer gefunden hat ten.
    »Wieso kam er damit zu dir?«
    »Das habe ich mich auch gefragt. Es ging um Materialfragen. Ich bin ja auch Bildhauer und habe früher sehr viel mit Materia lien ex peri mentiert. Diese Särge sind aus Holz und müs sen stuckiert werden, damit man sie bemalen kann. Ich konnte ihm aber nicht helfen.« »Wieso kam er dann wieder?«
    »Er war sehr versiert in der antiken Kunst. Soweit ich weiß, war er Archäologe. Wir hatten eine Reihe von Gesprächen über Fragen zur Perspektive und Proportion. Und da ist die ägyptische Kunst sehr interessant, vor all em für meine aktuelle Arbeit.«
    Er zeigte auf eines der Bilder.
    Wahrschein lich hatte Pe ters son die Gespräche genos sen, in denen er mit seinesgleichen über Kunst sprechen konnte.
    »Du untersuchst das Verhältnis zwischen Gestalt und Umraum.«
    Osborne ließ den ausgestreckten Arm sinken und sah ihn erstaunt an. »Ja.«
    In Gedanken sandte er ein Dankeschön an Linda, die ihm beim Frühstück beigebracht hatte, was er zu sagen hatte. »Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?«
    »In der letzten Woche nicht. Davor war ich in New York. Es muss vier Wochen her sein.«
    »Ihr seid euch auch nicht im Treppenhaus begegnet?«
    Osborne schüttelte den Kopf.
    »Was war Petersson für ein Mensch?«
    »Einer, der sich mit allem auskennt. Er hatte Geschmack, war stets gut gekleidet. Ein fruchtba rer Gesprächs part ner für alle Themen. Deshalb habe ich mich gern mit ihm unterhalten.«
    »Und das Mädchen?«
    Osborne schüttelte nur den

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