Der Zweite Tod
interessant heraus. Er war höchstens dreißig, und Sofi konnte sich gar nicht vorstellen, wie er es geschafft hatte, in seinem kurzen Leben in dem kleinen Büro solch eine Unordnung anzurichten. Für Sofi begann jeder Bürotag mit dem blauen Lappen. Damit wischte sie zuerst ihren Schreibtisch ab, bevor sie beginnen konnte. Meist war sie die Erste, und dann wischte sie auch Kjells Tischplatte ab, vor allem aus Freundschaft, aber auch, damit nichts herüberwehen konnte. Der Ägyptologe Sven Flemming konnte seinen Schreibtisch gar nicht abwischen, beim besten Willen war das unmöglich. Dazu hätte er ihn erst abräumen müssen, doch es gab keinen Ort, wohin er all die Stapel aus Papier hätte räumen können. Das Büro hatte ein Fenster, das bis zu der hohen Decke reichte.
Flemming befasste sich mit besonders kryptischen Texten, solchen, die mit Absicht schwer lesbar niedergeschrieben worden waren. Dies war nach seiner Erklärung für die Ägypter untypisch.
»Laien glauben das zwar«, erklärte er, während er nach einem Ort für Sofis Mantel suchte und ihn dann über einen hohen Stapel Bücher warf. »Dass es sich um eine Geheimschrift handelt. Aber das Gegenteil ist wahr. Erst ganz spät, wenn man schon gar nicht mehr richtig vom alten Ägypten sprechen kann, also zur Zeit der Griechen und Römer, hat es sich so entwickelt. Vor zweihundert Jahren kannte man vor allem Schriftzeugnisse aus dieser Zeit, und so ist unsere moderne Vorstellung über die rätselhaften Ägypter entstanden.«
Flem ming be gut achtete das Zeichen git ter, ent deckte da rin jedoch nichts, was ihm bekannt vorkam. Er bat Sofi, sich den Nachmittag über damit beschäftigen zu dürfen.
»Sollen wir heute Abend essen gehen?«, fragte er. »Dann kann ich dir erzäh len, was ich he rausgefunden habe.«
Sofi sah ihn an. Ihre Antwort ließ einen Moment auf sich warten, denn in der Frage hatte noch etwas anderes mitgeschwungen. Sie nickte, aber sagen wollte sie nichts.
Sie verabredeten sich für acht Uhr in einem Lokal in der Innenstadt. Man konnte eigentlich nicht mehr von »Mitschwingen« reden, fand sie, als sie mit dem Mantel unter dem Arm durch die Gänge lief und nach einem Ausgang suchte.
Sofi ke hrte zu Peterssons e h e maligem Institut zurück. Inzw i schen hatte die Hilfskraft eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten he rausge sucht. Da runter wa ren meh rere von ei ner gewissen Kajsa Björklund. Sofi ging die Personalliste des Instituts durch und entdeckte, dass Kajsa Björklund nach ihrer Studienzeit noch ein Jahr lang am Inst it ut gearbeit et hatte. Dann war ihr Vertrag fristgemäß ausgelaufen. Ein Jahr vor Peterssons Rücktritt hatte sie ihr Studium bei ihm abgeschlossen. Kurz nachdem Petersson die Universität verlassen hatte, war auch sie weggegangen. Vier Jahre zuvor hatte es eine andere Assist ent in und vor dieser noch eine weit ere gegeben. Und die war anscheinend die allererste gewesen. Sie alle hatten nach dem Studium eine auf zwei Jahre befristete Assistenten stel le gehabt.
»Ich kenne die früheren Assistenten nicht mehr«, bemerkte Tiveus zu Kajsa Björklund und den anderen Namen. »Sie haben damals eine Reihe von Artikeln verfasst. Es wird wohl so gewesen sein, dass sie die Arbeit gemacht haben, dann aber Peterssons Name über dem Artikel stand. Das kommt oft vor.«
»Aber dann taucht sie genauso ab wie Petersson.«
»Das ist normal. Nach der Assistentenzeit wechseln sie oft die Universität, aber manche bleiben auch und erwerben hier einen hö heren Ab schluss.«
»Aber die Namen der erst en Assist ent innen gibt es spät er auch noch. Sie haben weiterhin Artikel veröffentlicht. Nur Kajsa Björklund scheint mit Ende ihres Vertrages wie vom Erdboden verschluckt zu sein.«
»Was ja bei einem Archäologen kein schlechtes Zeichen sein muss!« Tiveus lachte über sich selbst. »Nicht jeder Student wird später Wissenschaftler. Normalerweise gründen sie eine Familie, nehmen einen Beruf an oder sind Hausfrauen odermänner. In ihrem Fall ist das schade, weil die Artikel von damals sehr ge lun gen sind.«
»Wenn sie noch als Orientalistin arbeiten würde, wüsstest du davon, oder?«
»Nicht unb ed ingt. Sie kann ein and er es Fachg eb iet hab en. Ich jedenfalls habe ein schlechtes Namens und Hochzeitstagsgedächt nis. Aber dass sie in den Pub li kationskata lo gen nicht mehr auftaucht, kann man schon als sicheres Zeichen sehen. Zehn Jahre sind eine lange Zeit, wenn man nichts veröffentlicht, vor allem bei
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