Der Zweite Tod
eingezeichnet. Darin unterschied sich ein Blatt vom anderen.
Auf dem Schreibtisch klingelte Sofis Telefon. Sie hob ab und sprach einige Minuten lang mit dem Anrufer. Sie klang heiter und sogar ein wenig albern. Linda vermutete, dass Sofi in den nächsten Minuten noch alber ner werden wollte und sich nur ihret wegen zu rück hielt. Sie kehrte in den lan gen Kor ridor zurück, streifte an den Regalen entlang und fuhr mit den Fingerspitzen über die geprägten Rückentitel. Hin und wieder zog sie ein Buch heraus und blätterte darin. Sie hatte es auf exotische Schriftzeichen abgesehen und erwischte ein Handbuch der Sanskrit sprache. Linda pustete er war tungsvoll den Staub vom Schnitt, schlug es auf und begann zu blättern. Die Schriftzeichen hin gen an ei ner geraden waa gerechten Li nie wie Wä sche, die an einer Leine im Wind flattert. Das Buch stammte aus dem Jahr 1892. Linda beugte sich über die Seiten und schnupperte daran, um herauszufinden, wie das Jahr 1892 gerochen hatte. Sie hatte Lust, ihren Namen schreiben zu lernen, und ging ins Arbeitszimmer zurück. Sofi hatte ihre Füße gegen die Schreibtischplatte gestemmt und die Knie zur Brust gezogen. Linda hatte Sofi noch nie kichern hören.
»Kann ich was zu schreiben haben?«, flüsterte Linda.
Sofi machte eine ausbreitende Geste. Linda schnappte sich zwei Stifte vom Schreibtisch und las einige von den Blättern am Boden auf. Damit ließ sie sich an dem Esstisch am anderen Ende der Wohnung nieder.
Sie betrachtete erst für ei nen Moment die bedruckte Seite des Papiers und wendete es dann auf die Rückseite, um darauf zu schreiben. Vorne im Buch wurde die Schrift erklärt, mit der Sanskrit geschrieben wurde. Es war eine Silbenschrift, die Nagari hieß. Sie suchte das Zeichen für
›li‹
aus der Liste. Es sah aus wie ein Herzchen, das
›n‹
wie ein Pfeil. Oder wie ein dickes Hinter teil und das
›n‹
ein Phallus, dachte sie. Ihr wurde warm. Sie fand auch
›da‹
und hatte damit alle Silben ihres Namens schneller zusammen, als sie erwartet hatte. Sie schrieb noch die Namen von Sofi, Kjell, Cissi und Vivian und am Ende den von John. Dabei gab sie sich am meisten Mühe. Es sollte besonders hübsch aus sehen.
Danach suchte sie sich eine andere Sprache. Sie begann mit Sumerisch, aber die Keilschrift war komptiziert und langweilig. Weil sie ihr en Namen nicht zus ammenbekam, blätt erte sie weiter in dem Buch und entdeckte den Satz
i-zah-ed-na-a.
Das bedeutete »Lass mich sterben, wenn ich noch einmal weglaufe.« Linda seufzte. Ausgerechnet diesen Satz hatte sie in dem drei hun dert Sei ten di cken Buch er wi schen müs sen. Su me risch sah sehr schwierig aus. Sie blätterte noch ein wenig weiter. Als sie auf die Zahlwörter stieß, zählte sie laut los:
disch, min, esch, limmu, ia, asch…
Sie stockte.
Limmu?
Das hatte sie doch gerade erst gesehen. Sie drehte das Blatt um und überflog die fünfzig Zeilen des Passwortgitters. In der neunzehnten Zeichenreihe des Musters stand l - i - m - m - u / w. Im Buch gab es aber nur zehn Zahlwörter. Das war auch in anderen Sprachen, die sie kannte, nicht anders. Jenseits der Zehn oder der Zwölf setzte man die Zahlen ja zusammen. Dreizehn, vierzehn, fünfzehn. Obwohl man im Französischen erst bei siebzehn Zusammensetzungen benutzte. Aber keine Sprache der Welt hatte wohl einen eigenen Namen für dreiundvierzig.
Elf, Zwölf, Pelle, Kalle, Vickan, Snodde, Lasse, Kicki, Ulla, zwanzig.
Keine der fünfzig Zeilen glich jedoch einer anderen. Das konnten ja nicht alles sumerische Zahlen sein. Also war es Zufall. Linda ging dennoch alle Reihen durch und stieß auf einen weiteren Zufall. Zeile 43 hieß d - i - sch -( n )-( n ). Disch war das su-meri sche Wort für eins.
Sie rannte zu Sofi und wollte wissen, was die Klammern bedeuteten. Sofi hielt ihre Hand auf den Hörer.
»Null
oder
nichts.
Oder eine Leerstelle. Oder ein Operator. Weißt du, was ein Operator ist?«
Linda sah sie schweigend an. Wenn sie etwas nicht wusste, dann sah man das immer gleich. Sofi widmete ihre Aufmerksam keit wieder dem Tele fon.
Linda ging ins Wohnzimmer zurück. Leider fand sie keine weiteren sumerischen Zahlen in dem Gitter. Sie nahm das Sanskritbuch und stieß auf eine Ähnlichkeit.
Fünf
hieß auf Sanskrit
catur,
und auf dem Blatt fand sie immerhin tsch - a - t -ü- r. Nun begann sie, hinter die Reihen jeweils die Zahl zu schreiben und gab auch die Seitenzahl mit an, wo sie sie gefunden hatte. Sie war schließ lich Phi lo
Weitere Kostenlose Bücher