Der Zweite Tod
als Lehrer vor einer neunten Klasse vor. Bisher wusste Sahlin offenbar nichts von den Ereignissen in der Västmannagatan. Aber sein Blick war voll Ruhe und Gelassenheit. »Du kommst aus Israel?«, fragte Kjell.
Sah lin nickte.
»Was war der Grund für diese Reise?«
»Ich fahre jedes Jahr ans Tote Meer«, antwortete Sahlin. »Zur Kur.«
Seine Stimme klang unerwartet sonor. Mit ihr füllte er unaufdringlich den ganzen Raum. Auf einmal konnte Kjell ihn sich als Lehrer vorstellen.
»Geht es um et was Politisches?«, fragte Sah lin.
»Weil es Israel ist? Nein. Es geht um deine Wohnung.« Sahlin sah ihn verständnislos an, aber von Unruhe war er weit entfernt. »Wann warst du zum letzten Mal in deiner Wohnung?«
»Ich bin von dort zum Flughafen gefahren.«
Kjell sah auf seine Notizen. »Das war am Mittwoch, dem 21. No vember?«
»Um zehn Uhr war ich am Flughafen, und um kurz vor zwölf hob ich ab.«
»Kennst du Carl Petersson?«
»Petersson?« Sahlin dachte nach. »Nur einen im Haus.« »Den meine ich. Er ist am Montag darauf ermordet worden, mitten in der Nacht.«
»Herrje.« Sahlins Blick war ernst.
Kjell hatte den Eindruck, dass er Anteil nahm, obwohl er Sahlin durchaus glaubte, dass er ihn kaum kannte. Schrecken darüber, dass Tür an Tür ein Mord geschehen war, fand er nicht bei Sah lin.
»Du warst also zur Kur?«
Sahlin reckte wieder den Kopf. »Neurodermitis, im Sommer Istand, wegen des Schwefels. Im Winter fahre ich zum Toten Meer.«
»Das war also der einzige Grund für diese Reise?« Sah lin nickte.
»Hat jemand einen Schlüssel zu deiner Wohnung?« »Meine Mutter bis zu ihrem Tod. Aber das ist schon lange her.«
»Der Grund für unsere Suche nach dir ist einfach. Der Anruf bei der Polizei kam von dem Telefon in deiner Wohnung.«
Auf Sahlins Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. »Tatsächlich? In meiner Wohnung ist sonst nie etwas los.«
»Die Wohnung ist nur ein Punkt. Der andere dein Reiseziel, Petersson hatte mit dem Nahen Osten zu tun.«
»Ich verstehe«, sagte Sahlin, aber augenfällig verstand er nicht. »Wie sah meine Wohnung denn aus? Wurde eingebrochen?«
»Eben nicht. Sie war normal verschlossen. Durchwühlt wurde auch nichts.«
Barbro trug ein Tabl ett herein und stellte es auf dem Tisch ab. Sie füllte drei Tassen mit Kaffee. Das war Teil einer Inszenierung, die die Gruppe »Die Zahnarzthelferin« nannte, und die sie immer dann aufführten, wenn ein männlicher Zeuge oder Tatverdächtiger vernommen wurde. Kjell hatte sie während eines Zahnarztbesuchs entwickelt, als er den Zahnarzt fragte, was ei gent lich mit Zahnarzt hel ferin nen geschah, die das dreiundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat ten. Wurden die irgendwo hingebracht? In die Bergwerke von Kiruna zum Beispiel? »Die hei raten!«, hatte der Zahnarzt er klärt.
»Die Zahnarzt hel ferin« war eine ganz und gar archa ische Methode: Eine Polizistin notierte zuerst die Personalien, räumte dann den Sitzplatz, auf dem sie nur vorne auf der Kante sitzen durfte, ließ den Stift jedoch am Platz liegen. Dann kam der männliche Kommissar, nahm herrschaftlich Platz, ergriff den Stift wie ein Szepter und begann das Verhör. Die Kollegin hatte etwas später einen zweiten Auftritt beim Hereinbringen von Din gen, die nicht im mer wirk lich benötigt wurden. Für Sexualstraftäter hatten sie hingegen die sogenannte »Frauenhölle« entwickelt, bei der der Verhaftete nach Betreten des Präsidiums ausschließlich Frauen zu Gesicht bekam und sich während des Verhörs als einziger Mann mit sieben Frauen im Raum befand. Kjell brachte dann gerne auf Anforde rung Unter lagen vor bei. Kaffee gab es für Vergewaltiger nur, wenn sie noch viel zu geste hen hat ten.
Als Sahlin und Kjell sich Milch in ihren Kaffee füllten, entstand eine kurze Unter brechung.
»Eine Ida Floren hat angerufen und nach dir gefragt«, flüsterte Barbro.
Kjell wandte sich Barbro eine Spur zu interessiert zu, als dass es jemand wie ihr hätte entgehen können. »Hat sie eine Nummer hinter las sen?«
Barbro kniff die Augen zusammen und prüfte ihn eingehend. Das tat sie ausgiebig, dann nickte sie langsam. Sie hatte Lunte gerochen. Ein erster Verdacht keimte in ihr.
Sahlins Stimme unterbrach ihr Blickgefecht. »Ida Floren aus meinem Haus? Wurde bei ihr auch eingebrochen?«
»Nein. Sie ist nur eine Zeugin.« Kjell betonte das Wort
Zeugin.
»Arme Ida«, sagte Sahlin. »Aber jetzt geht es ihr ja besser.« »Kennst du sie etwa?«
»Mhm«, summte Sahlin. »Wir
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