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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Augustin
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glotzt ins Album, die Gräfin glotzt ins Leere, Frau Wimmer streichelt ihren Müllsack, Frau Fitz macht flatternde Bewegungen mit den Armen und gackert leise. Beim Mittagessen übt sie immer den Kükentanz, das liegt am Hühnergeschnetzelten, nehme ich an.
    Der Platz vom Professor ist leer.
    Später wird mich Doppelrudi mit der kalten Haferschleimsuppe füttern, weil ich das selber nicht kann mit meinem Tremor, und ich werde ihn fragen, ob der Professor schon irgendwo aufgetaucht ist.
    Â»Weiß nicht«, wird Doppelrudi sagen und den Löffel in den Schleim tunken. Seine Augen: immer noch rot.
    Ob ihn überhaupt irgendjemand sucht, den Professor, werde ich fragen.
    Â»Weiß nicht«, wird Doppelrudi sagen und mir den Löffel zwischen die Lippen schieben. Sein Schweiß: immer noch aus Tränen gemacht.
    Mein Gott, jetzt ist aber auch mal gut mit der alten Kropp! Mutter hin, tot her, ich meine: Sie war nur eine Ersatzmutter, keine echte, aber der Professor ist ein echter Professor, und er lebt, also geh ihn gefälligst suchen, du verdammter Verräter!
    Das werde ich alles nur denken, nicht sagen. Man darf die Hand nicht beißen, die einen füttert, und so ein Suppenlöffel kann verdammt wehtun, wenn ihn dir jemand extragrob zwischen die Lippen schiebt.
    Schwester Cornelia steht jetzt neben der Tür, ihre Hand liegt am Regler für die Lautsprecher. Doppelrudi und die Küchenhilfe stehen stramm, Nummer 11 steht mit ausdruckslosem Gesicht links unter der Uhr, die Mickymäuse grinsen, alle warten.
    Man weiß nie so genau, wann sie kommt, aber es kann nicht mehr lange dauern.
    Drei Stunden. Habe ich erwähnt, dass die Wirkung von Pruxal drei Stunden anhält? Dann werden die Leute wieder halbwegs munter, pünktlich zum Mittagessen, pünktlich zum Kaffee. Ziemlich ausgeklügelter Zeitplan, wenn Sie mich fragen, ich meine, man stelle sich vor: sechzig alte Leute, die alle ihren Löffel oder ihre Kuchengabel nicht mehr halten können, weil sie auf Droge sind. Müsste man ja alle füttern, die Alten, weil verhungern lassen nicht geht hierzulande.
    Wissen Sie eigentlich, was so eine Fremdfütterung kostet!
    Attila bekommt ein Stückchen Fleisch nach dem anderen, Suzanna starrt auf die saftigen Kalbsnieren und Lämmerherzen, die in seinem Maul verschwinden, ab und zu leckt sie sich die Lippen, Marlen starrt auch. Macht sie immer beim Mittagessen. Starrt auf Attila, aber anders als Suzanna. Nicht gierig, sondern konzentriert.
    Sie beobachtet ihn.
    Wie er mit der Tatze nach dem Fleisch schlägt, das Frau Schnalke ihm hinhält. Wie er faucht, wenn sie das Fleisch nicht loslässt. Wie er wieder faucht, wenn sie »Schön aufmachen« sagt, »schön aufmachen, das süße kleine Mäulchen«.
    Sein steil aufgerichteter Schwanz, sein gesträubtes Fell, seine zitternden Barthaare, Marlen beobachtet das alles ganz genau, und wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen: Es ist unmöglich, aus dem Verhalten einer Katze die Zukunft zu lesen. Katzen sind nur Katzen, sie haben keine Bedeutung, würde ich sagen, wenn ich es nicht besser wüsste.
    Orakeltiere.
    Die Details erfahren Sie morgen bei der Pressekonferenz.
    Attila weiß es.
    Â»Höhö warum lacht denn keiner warum lacht denn keiner ist doch großartig die Pointe ein bisschen mehr Humor meine Damen wenn ich bitten darf Lachen ist gesund sag ich immer Spaß muss sein und da fällt mir noch einer ein einer geht noch bevor die nette Schwester Terese kommt höhö also zuhörenzuhören meine Damen: Kommt ein Schwuler …«

14
    Senilität wurde im alten Japan mit einer gewissen Nähe zum Göttlichen assoziiert. Wenn die altjapanischen Senioren angefangen haben, wirres Zeug zu reden oder frühmorgens halbnackt zu irgendeiner Musik zu tanzen, dann war das ein Zeichen. Dafür, dass der Atem Gottes in diesen sterbenden Verstand gefahren ist und ihn neu belebt hat.
    Diese stumme Zunge.
    Diese müden Beine.
    Der Atem Gottes fegt durch die halbtoten altjapanischen Senioren, und siehe da: Die Zunge spricht! Die Beine tanzen!
    Ein Zeichen.
    Deswegen war jeder, der seinen senilen Vater oder seine senile Mutter gepflegt hat, eine Art Priester. Und sie waren hoch geehrt, die Pflegepriester. Man hat ihnen Essen gebracht und kostbare Geschenke, alles Opfergaben für die Gottheit, um die sie sich kümmern. Der sie vorsichtig warme Suppe

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