Der Zypressengarten
aus ihrer Trance. »Ist das deine Mutter?«
»Das kann nicht sein.«
»Du hast gesagt, dass sie den ganzen Tag weg ist.«
»Wollte sie auch.«
Hastig nahm Floriana die Ohrringe ab und legte sie auf die Kommode. »Na, was kann schon sein, wenn sie mich hier erwischt? Was wäre das Schlimmste, das sie tun kann? Ich werde jedenfalls nicht wie eine Diebin durchs Fenster verschwinden.«
Costanza rang ängstlich die Hände. »Du bist meine Freundin, und damit basta.« Sie bemühte sich, tapfer zu sein.
Sie hörten Schritte auf der Treppe, gefolgt von der Stimme der Contessa. »Costanza?«
Costanza warf ihrer Freundin einen hilflosen Blick zu. »Ich bin in meinem Zimmer, Mamma.«
Die Tür ging auf, und die Contessa sah hinein. Als sie Floriana erblickte, war ihre erste Reaktion blankes Entsetzen. Doch sie fing sich schnell und legte ein zuckersüßes Lächeln auf. »Hallo, Floriana. Was treibt ihr zwei?«
»Ich probiere Kleider für die Feier an.«
Ihre Mutter musterte sie. Abgelenkt von ihrem Ehrgeiz, trat sie näher, um sie besser zu sehen. »Ich mag das blaue an dir«, sagte sie, griff den Rockteil mit beiden Händen und zog ihn nach unten. »Auch wenn es ein wenig eng sitzt.«
Costanza stöhnte. »Ich ziehe schon den Bauch ein.«
»Nicht genug«, erwiderte die Contessa streng. »Zu viel Pasta, mein Liebes.«
»Ich kann auch das weiße tragen.«
»Und wie ein Baiser aussehen?«
Costanzas Vorfreude auf die Feier verpuffte. »Was soll ich denn sonst anziehen?«
»Du trägst dieses, aber Graziella lässt es an den Seiten aus.« Sie bemerkte die Diamantohrringe auf der Frisierkommode und dachte sich sofort, dass Floriana sie anprobiert haben musste. Die Contessa atmete so tief ein, dass sich ihre Nasenflügel blähten. »Und du kannst die tragen«, sagte sie. »Floriana, die Ohrringe bitte.«
Floriana spürte einen Stich vor Enttäuschung, hob die Diamanten vorsichtig hoch und ließ sie in die ausgestreckte Hand der Contessa fallen.
»Ich wollte sie Floriana leihen«, rief Costanza aus, ohne nachzudenken.
»Floriana? Aber wozu?«
»Für das Fest.«
Die Contessa stieß ein vornehmes Schnauben aus. »Mein Liebes, Floriana geht nicht zu dem Fest.«
Nun wurde Floriana wütend. »Wohl gehe ich zu dem Fest«, erklärte sie energisch.
»Oh, tut mir leid, dann irre ich mich anscheinend. Ich wusste nicht, dass du eine Einladung bekommen hast.«
Floriana errötete. »Einladung?«
»Du kannst nur zu dem Fest, wenn du eine offizielle Einladung hast.«
»Du hast eine, oder?«, fragte Costanza ihre Mutter, während die ihr die Ohrclips ansteckte.
»So, das ist schon besser. Nichts verschönert ein Kleid so verlässlich wie Diamanten.« Sie lächelte ihre Tochter an. »Du siehst bezaubernd aus, Costanza. Du wirst die Ballkönigin sein.«
Floriana wurde schwindlig vor Elend. »Nein, ich habe keine Einladung«, sagte sie leise, und zu ihrem Verdruss brannten Tränen in ihren Augen.
»Kann sie denn nicht mit uns kommen?«, fragte Costanza.
»Ich wünschte, das ginge, Liebes, aber es gehört sich nicht, jemanden mitzubringen, der keine offizielle Einladung hat.«
»Signora Bonfanti mag sie doch so gerne!«
Die Contessa zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, Floriana. Gewiss bist du enttäuscht. Wie dem auch sei, es ist ja bloß ein Fest.«
Costanza biss sich auf die Lippe. Sie hätte ihre Freundin in die Arme genommen, wäre nicht ihre Mutter zwischen ihnen gewesen.
Floriana streckte die Schultern nach hinten und reckte ihr Kinn. »Sie haben recht. Es ist nur ein Fest. Und du, Costanza wirst heller strahlen als der hellste Stern.« Sie würde einen Teufel tun, vor der Contessa loszuheulen. »Ich gehe jetzt lieber.« Es trat eine beklemmende Stille ein, als sie aufstand.
»Das musst du nicht«, sagte Costanza plötzlich, die es wagte, sich gegen ihre Mutter aufzubäumen.
Die Contessa rang sich ein Lächeln ab, mit dem es ihr allerdings nicht gelang, echtes Mitgefühl zu zeigen. »Sie ist sehr stark«, sagte sie, als Floriana die Tür hinter sich schloss.
»Warum haben die sie nicht eingeladen?«
»Weil sie nicht in unsere Welt passt, Liebes.«
»Ist das denn wirklich so wichtig?«
Die Contessa legte beide Hände auf die Schultern ihrer Tochter und sah sie mit eisigem Blick an. »Hör mir zu, Costanza. Es ist wichtiger, als du dir vorstellen kannst. Du bist aus gutem Hause, vergiss das nie. Geld kommt und geht, aber du wirst immer eine Aldorisio sein. Floriana ist nichts, ein Niemand. Eines Tages
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