Der Zypressengarten
Händen und versuchte, Gottes Nähe zu fühlen, nur fühlte sie nichts außer ihren tränennassen Wangen und ihrem bleischweren Herzen. War es wirklich unmöglich für sie beide, zusammen zu sein? Konnte sie etwas so Unbedeutendes wie Reichtum auseinanderbringen? Für einen Moment fühlte sie sich vollkommen machtlos. Beppe Bonfanti erschien ihr wie ein Riese, eine dunkle, mächtige Gestalt, die sich zwischen sie und den Mann stellte, den sie liebte. Sie sah Pater Ascanios freundliches Gesicht vor sich, wie er hilflos den Kopf schüttelte. Anscheinend war jeder gegen sie. Dann jedoch dachte sie an Violetta, die sie mütterlich liebevoll anlächelte. Sie würde ihnen ganz sicher ihren Segen geben, oder nicht? Könnte sie ihren Mann nicht überreden, ihre Verbindung zuzulassen?
Floriana klammerte sich an diesen winzigen Hoffnungsschimmer, während sie ihre Tränen mit ihrem Rockzipfel trocknete. Es war nicht fair, dass sie dieses Unglück allein ertrug. Sie würde Dante erzählen, was Pater Ascanio gesagt hatte, und er würde ihr sagen, dass alles gut wurde, und ihre Ängste einfach wegküssen. Alles wurde gut, das wusste sie einfach. Pater Ascanio tat, was er für das Richtige hielt, aber er hatte keine Ahnung, wie die Umstände wirklich waren. Er konnte gar nicht wissen, wie stark ihre Liebe war. Floriana schöpfte neuen Mut, denn sie sagte sich, dass ihr Herz schon ganz anderes ausgehalten hatte. Von Beppe Bonfanti ließ sie es sich nicht brechen. Wenn Pater Ascanio sie eines gelehrt hatte, dann dass vor Gott alle Menschen gleich waren – womit sie genauso würdig war wie jeder andere.
Es dämmerte bereits, als sie La Magdalena erreichte. Gute-Nacht rannte die Einfahrt herunter, um sie zu begrüßen, als sich die schweren Torflügel öffneten. Zitternd bückte sie sich zu dem Hund, schmiegte ihr Gesicht in sein warmes Fell und versuchte, Kraft zu sammeln, weil ihre Ängste sie einzuholen drohten. Nach einer Weile ging sie die Zypressenallee entlang, die sie erstmals mit Dante hinaufwanderte, als sie noch ein kleines Mädchen war. Ihre Sorge machte es ihr unmöglich, die herrlichen Gartendüfte zu würdigen, die in der Abendluft besonders intensiv waren.
Dante, der sie erwartet hatte, kam ihr vom Haus aus entgegengelaufen. Als er ihre unglückliche Miene sah, nahm er sie in die Arme.
»Was ist passiert?«, fragte er.
Überwältigt von seinem Mitgefühl, brach Floriana in Tränen aus. Sie schluchzte so heftig, dass sie zunächst nicht sprechen konnte.
»Komm, suchen wir uns einen Platz, an dem wir ungestört sind.« Er führte sie zwischen den Bäumen hindurch zu einer Pinie, unter die sie sich setzten. »Ist es dein Vater?«
Floriana verneinte stumm. »Wenn er es doch bloß wäre!«
»Was ist dann?«
»Pater Ascanio hat mich gewarnt, dass wir nicht zusammenbleiben können.«
Dante war entsetzt. »Wie kommt er denn darauf? «
»Er hat gesagt, wir sind aus zu verschiedenen Welten, und dass ich so jung bin und es im September für immer vorbei ist …«
»Was weiß er schon?« Dante war wütend, was zur Folge hatte, dass es Floriana sofort besser ging.
»Er hat gesagt, dass dein Vater uns nie seinen Segen geben würde.«
Dante hielt sie bei den Oberarmen und sah sie fest an. »Hör mir zu, Floriana. Niemand bringt uns auseinander, hast du verstanden? Ich liebe dich und keine andere. Niemals! Überlass meinen Vater mir. Und hör nicht auf Pater Ascanio. Er war noch nie verliebt, also weiß er nichts.«
Floriana lächelte und wischte sich mit dem Handrücken die Augen.
»Na, siehst du, so ist es schon besser. Wäre er kein Priester, würde ich hingegen und ihn auf dem Marktplatz verprügeln, weil er sich in Sachen einmischt, die ihn nichts angehen.«
»Er hat bloß getan, was er für richtig hält.«
»Die Welt hat sich verändert. Ich kann nicht glauben, dass er denkt, zwei Menschen können wegen ihrer Herkunft nicht zusammen sein. Der Mann ist ein Fossil. Glaub mir, Floriana, du und ich haben eine wunderbare Zukunft vor uns. Dann bist du eben jung, na und? Du wirst auch älter. Bald hast du Geburtstag.«
»Am vierzehnten August.«
»Wie wollen wir den feiern?«
»Gar nicht. Ist nicht wichtig.«
»Mir schon.« Er stand auf und zog sie zu sich hoch. »Komm. Wir verschwinden von hier. Und ich will dich nicht wieder so traurig sehen.«
»Mir geht es jetzt besser.«
»Schön. Du darfst nicht alleine leiden, Floriana. Komm zu mir, denn ich bin für dich da. Hast du gehört?« Sie nickte. »Also, wo
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